Die Nacht war 9 Grad kalt, tagsüber erwärmt es sich im Windschatten auf 17 Grad. Der Platz ist eng, hat aber alles in Minimalausstattung, was man so braucht: 1 Mikrowelle, 1 Waschmaschine, 1 Trockner, 2 Duschen pro Geschlecht, der Bäcker liefert., videoüberwacht. Der Campingchef ist ausgesprochen freundlich und hilfsbereit. Ohne Strom zahlen wir 10 Euro + Strom 3,50 pro Tag. Auch hier springen viele Hunde und Katzen rum von Deutschen, Österreichern, einigen Franzosen, Engländern und Spaniern. Diesmal haben wir Nachbarn, die zur Makrameefraktion zählen und Zusammengeklöppeltes verkaufen. Zum Überwintern ist er geeignet, aber was die Leute so herzieht?
Der Strand könnte kaum steriler sein, höchstens kleine Muscheln, keine Steinchen, entlang der Promenade reihen sich die hohen Bettenburgen, jetzt mit runtergelassenen Jalousien. Wir finden selbst im Hafen kein Motiv, das sich in den „Status“ stellen ließe. Drei Polizeiwagen kontrollieren den Camping, wir kriegen nicht raus, warum. Sollen wir hier Drei-König abwarten und die Prozession in Gandía verfolgen? Wir machen es vom Wetter abhängig, ob wir den Motorroller nochmal rausholen. Am nächsten Tag erzählt man uns, dass Silvester ein Mann hier seine Frau so würgte, dass die Polizei gerufen werden musste und ihn inhaftierte. Gestern wurde er zurück gebracht und anscheinend unter Aufsicht seiner Familie übergeben. Die Frau läuft ganz entspannt herum.
Der 5. Januar stand noch einmal im Zeichen des Genusses bei 26°C in der Sonne und 17 Grad im Schatten bis ca. 16 Uhr, dann entschlossen wir uns, zur Innenstadt von Gandía aufzubrechen. Im Internet war die Route der Cabalgata de Los Reyes Magos zu eruieren. Ein Parkplatz ungefähr in der Ortsmitte war leicht zu finden, von wo aus wir die Fußgängerzone abklapperten. Sehr viel Polizei sperrte mit Gittern die Seitenstraßen und räumte parkende Autos, das Fernsehen installierte Kameras vor dem Rathaus. Am Ziel des Zuges auf der Placa Major liegen das Rathaus und die Kirche Colegiata, deren Türen offen standen. Das Putzgeschwader verhinderte jedoch mehr als einen oberflächlichen Blick. Es war die erste spanische Kirche, die mal einheitlich in Gotik gebaut wurde (Wasserspeier und Portale) Hier waren wie in Sevilla und Murcia etliche rote Inschriften außen in einer jetzt unerreichbaren Höhe. Waren das Handwerker oder frühe Gläubige?
Da noch ausreichend Zeit war, schlenderten wir kreuz und quer durch die Gässchen. Vor der Renaissanceuniversität (1546-1772) hätten wir an der Imbissbude gern eine Spezialität probiert, aber die Vorbereitungen waren noch nicht abgeschlossen. Am Palau de Duc stellte sich heraus, dass die Familie Borja (später Papst Alexander VI.) hier ab 1485 die Herzöge stellte, bevor sie in Rom Karriere machte.
Die doppelte Witwe Maria Maria Enriquez brachte der Stadt wirtschaftliche Blüte, Francisco de Borja erweiterte die mittelalterliche Stadtmauer um die Neustadt, einen Turm davon sahen wir. Als wir den Start des Umzugs erreicht hatten, formierten sich schon die Wagen, Tanzgruppen übten auf dem Placa del Cardenal. Allmählich kroch uns die Kälte auch unter die doppelten Jacken. In einer Eckkneipe wärmten sich noch Zugteilnehmer , wir uns bei einer Schinken- und Käseplatte. Außer uns sahen wir keine Touristen, nur Einheimische und Massen von Kindern, die ja heute ihre Weihnachtsgeschenke erwarteten. Ob sie allerdings nennenswert Kamellen sammelten, steht dahin, denn diese wurden nicht geworfen, sondern direkt in die Tüten am Straßenrand gespendet. Polizei patrouillierte auf Quads, eine Drohne filmte von hoch oben.
Endlich um 19 Uhr bewegte sich der leuchtende Stern auf uns zu. Der Umzug hat nur entfernt Ähnlichkeit mit Karneval. Die Wagen sahen aus, als seien sie hundert Jahre in Verwendung. So stellte man sich im Mittelalter den Einzug der Orientalen vor. Nur die Tanzgruppen waren mehrheitlich mit LED-Leisten ausgestattet. Die Musikgruppen spielten ohrenbetäubend auf Dudelsäcken, Klarinetten, Trommeln und Trompeten. Der König Balthasar wurde als letzter nach einer Stunde von einer Gruppe schwarzer Fahnenträger angeführt, alle, auch der König und sein Wesir, stolz wie Bolle. Das ist wirklich Integration. Hier hat man es nicht nötig, Weiße anzumalen! Die Tiere sind allesamt gebastelt: Pferde, Elefanten und besonders das hölzerne Kamel, das an mechanisches Spielzeug aus dem 19. Jahrhundert erinnerte. Auf den Schultern des Kamels saß ein Mann, der mit Hebeln und Seilzügen den Hals des Kamels bewegte, die Augen klappern lassen konnte. Mehrere andere Männer gingen hinterher und bewegten die Beine.
Die Schatztruhe von Caspar und das Weihrauchfass Melchiors wurden auf Karren vorbeigeschoben. Nur die Wagen der Könige wurden von Motorfahrzeugen gezogen. Wir sind hin und weg von diesem typischen Event, das wir Marias Tipp verdanken. Keiner auf dem Campingplatz hat das als bemerkenswert auf dem Schirm gehabt.
Wir beeilten uns, um auf einer Abkürzung ans Motorrad zu kommen, wo Kurt noch eine Jacke verstaut hatte. Am Rathaus traf gerade der Stern ein. Es hätte also noch eine Stunde gedauert. Das war uns zu spät. Wir verzichteten vorsichtshalber aufs Ende des Spektakels, weil wir die Magnetkarte zum Einlass auf den Campingplatz vergessen hatten. Je später, umso unwahrscheinlicher, dass wir uns bemerkbar machen könnten. Gottlob, war noch ein Camper im Waschraum, der auf unser Rufen öffnete.
Die Rückfahrt war heftig. Bei 4 Grad sind wir noch nie zuvor gefahren. Dazu leitete das Navi auf eine Schnellstraße – einen Riesenumweg. Ziemlich verfroren flößten wir uns erstmal heiße Milch mit Honig und einen Ingwertee ein. Kurt hat alles gefilmt, das wird ein Streifen für youtube.