Marokko – Rundreise und Vergleich (8)

Am späten Nachmittag erreichen wir den Ksar Aït Ben-Haddou (12.-16.Jh.), seit 1987 Weltkulturerbe und die spektakuläre (und dafür restaurierte) Filmkulisse von „Lawrence von Arabien“, „Game of Thrones“, „Kundun“ u.a. Filmen. Kein Wunder. Wir klettern an teilweise ineinander verschachtelten, fast unbewohnten Wohnburgen (Tighremts) vorbei, deren Lehmmauern auf natürlichem Fels und einem Sockel aus größeren oder kleineren Findlingen ruhen, bis zum höchsten Punkt mit einem verfallenen Speicher. Dort pfeift ein starker Wind.

 

      

Die Wohnburgen besitzen Innenhöfe, durch welche Licht und Luft in die Stallungen und Lagerräume im Erdgeschoss sowie in die Wohn- bzw. Schlafräume in den oberen Geschossen gelangen konnte. Die Gässchen sind teils überdacht, sehr eng, etliche Andenkenläden säumen die Mauern. Die Arena für die Gladiatorenkämpfe ist wieder abgebaut.

   

Leider durchqueren wir nicht den Fluss Assif Mellah, obwohl von drüben der Blick besonders schon scheint. Mohammed traut den Senioren wohl nicht zu, dass wir unbeschadet von Trittstein zu Trittstein hüpfen. Conny wird verloren und im Teppichladen wiedergefunden. Wie auf Wüstenboden zischt eine Cola nur so weg.

   

Am Abzweig nach Ouarzazate liegen die Atlas-Filmstudios, über dessen Mauern die Kulisse für Asterix und Kleopatra ragt. Die ganze Stadt ist auf die Unterbringung von Filmteams eingerichtet. Unser Hotel ist geräumig, der Pool nicht ganz sauber. Inzwischen sind alle vorsichtig, sowohl was Baden als auch Salat angeht, obwohl nur ca. fünf oder sechs von uns Durchfall hatten, eine Mitreisende scheint sich aber nicht zu erholen.

   

   

Am 4. Oktober kommen wir morgens im Vallée du Dadès an einem großen Solarfeld vorbei und der Barrage-el-Mansour-ed-Dahbi (Stausee). In Skoura zeigt links ein Hinweisschild: Dinosaurierfundstätte (Das Tazouda-Dinosauriermuseum sollte 2020 eröffnet werden: 600 Knochen von bis dahin unbekannten Tazoudasauri wurden seit 1998 gefunden, die von zehn verschiedenen, sowohl jungen wie erwachsenen Individuen stammen.  Sie waren ca. 9,5 Meter lang.)

Rekonstruktion des Skeletts von Tazoudaurus Naimi – Die Länge eines erwachsenen Exemplars wird auf 9,5 m geschätzt. Quelle: Peyer, Karin und Allain, Ronan (2010) „Eine Rekonstruktion von Tazoudasaurus naimi (Dinosauria, Sauropoda) aus dem späten Frühjura von Marokko“.  Bis 2010 waren die Fundstätten noch nicht vollständig ausgegraben und viele Knochen der vor 199 bis 176 Millionen Jahren lebenden Tiere (Unterjura, als Amerika und Afrika noch zusammenhingen) noch nicht präpariert. Solche Fossilien werden doch tatsächlich geklaut! Ein Skelett wurde in Paris bei einer Auktion wiedererkannt und beschlagnahmt.

Wir machen eine Toilettenpause im Café Espresso von Aït Sahl El Gharbia, das auch einen gut sortierten Andenkenladen hat. Ich komme an einem Leuchter in Berberdesign und einem kleinen Kamel, beides aus Speckstein, nicht vorbei. Obwohl auch das Dadèstal eine Flussoase bildet, gibt es weniger Fliegen, weil mehr verdorrt ist. Im Tal werden Rosen auf großen Flächen angebaut und zu Cremes, Seifen und Parfums verarbeitet. Einige von uns füllen ihren Wasservorrat auf und der Verkäufer ist heillos überfordert im Kopfrechnen. Ein Fläschchen kostet 5 Dirham. Das Gebinde beinhaltet zwölf Fläschchen und eines wurde zusätzlich getrunken. Der Busfahrer muss seinen Taschenrechner holen und Mohammed schüttelt mal wieder entrüstet den Kopf über das Bildungsniveau der Jugend.

   

Bei der Einfahrt nach Tineghir steht alles voller LKWs: ein Streik, sagt unser Reiseleiter. Wir halten an einer schönen Aussicht und bei mir steigt die Spannung. Nachdem ich ungeschröpft dem Kauf eines Schals entgangen bin, bringt uns der Bus noch ein Stück weiter. 1980 sah es so aus:

     

Gleich sehe ich die Todhraschlucht wieder, in der wir zwei Tage verbrachten, weil die Kühle und Einsamkeit der Migräne meines Beifahrers guttaten. Ein Stück geschotterten Wegs führte damals hinein und durch eine Furt. Unsere Bekannten mit VW-Bus waren erst von fünfzehn Mann vergeblich geschoben worden, dann hatte sie ein LKW ans Schluchtende bis zum Hotel gezogen. Aber der war natürlich längst verschwunden, als sie die Schlucht verlassen wollten.  Also zogen wir ihren VW-Bus durch die Furt hinaus. Dabei reichte uns das Wasser bis zur Mitte der Tür. Außer uns Vieren war sonst nur ein Händler stundenweise da. Doch jetzt traue ich meinen Augen nicht!

      

Die asphaltierte Straße, die es inzwischen gibt, ist bevölkert wie die Drosselgasse in Rüdesheim. Die ganze Schlucht entlang ein Souvenirstand am nächsten. Busse und Geländewagen schieben sich zweispurig daran vorbei. Erstere wenden am Ende, letztere wählen die Serpentinenstrecke ins Gebirge. Damals gab es nur einen Maultierpfad in die Höhe. Schlichtweg grauenhaft. Ich stelle mich ins Bachbett und lasse frustriert ein Foto von mir machen. Ein Felssturz hat in den Jahren das Hotel Jasmina getroffen, aber zum Glück war gerade niemand zuhause. Jetzt picknickt eine marokkanische Familie vor dem Eingang.

In Tineghir kehren wir auf der Rückfahrt ins Restaurant Dar Aït Barra ein, ein Familienbetrieb, in dem sehr flott bedient und sehr gut einheimisch gekocht wird. Muss ein Geheimtipp sein, denn viele Gäste drängen sich raus und rein aus unzähligen kleinen Räumen. Ingrid und ich teilen uns Kefte Tajine (Hackfleischbällchen in Tomatensauce und Ei überbacken). Auf dem Rückweg halten wir nicht mehr an. Es ist mal wieder Packen angesagt und wird schon dunkel.

   

Am 5. Oktober soll es bis nach Marrakech gehen. Wir müssen über den Tizi-n-Tichka (2260 m hoch). Erst stehen noch viele Keramikstände am Straßenrand. Bald werden sie abgelöst von Edelsteindrusen und (gefälschten) Versteinerungen, mir scheint, weniger als 1980. Der tektonische Zusammenstoß hat in diesem Gebirgsteil die Schieferschichten senkrecht gepresst. Entlang der Straße stecken Stangen, die im Schnee die Route für den Schneepflug markieren. Einer parkt schon in Bereitschaft.

   

    

In der Höhe herrscht den ganzen Tag eine sehr angenehme Temperatur. Oben auf dem Pass stürzen sich die Andenkenverkäufer auf uns mit allem, was die Lager bieten, aber uns reicht ein Erinnerungsfoto am höchsten Punkt.

   

   

   

Typische Dörfer mit flachen Dächern kleben an den Felsen oberhalb der terrassierten Felder.

   

Mehrere Felsstürze auf die neue Straße, die gerade weggebaggert werden, erzwingen kleine Umwege über die alte, kurvenreichere Straße. Der oxydierte Kalk sieht aus wie Sandstein und leuchtet rot in der niedrigstehenden Sonne. Je tiefer wir kommen, umso dichter wird der Bewuchs auf den Hängen, aber umso heißer wird uns. Im chaotischen Stadtverkehr läuft dann der Schweiß.

Ein kalter Wasserguss im Hotel ist schwierig, denn der Hahn lässt sich nicht auf Duschkopf umstellen, festgerostet. In halbem Kniestand gelingt es mir mich darunterzuklemmen – Hauptsache nass und Verdunstungskühle. Das mindestens sechsstöckige Hotel verfügt im Innenhof über eine fensterlose Wand – bedeckt von einer Kletterpflanze, aus der es fast ohrenbetäubend zwitschert.  Im Pool vergnügen sich Engländer und Franzosen, aber wir haben weder Zeit noch Lust, denn vor dem Abendessen (Büffet) geht es zum Jemaa el Fna, dem großen Platz, für den wir eine Stunde Freigang bekommen, um das Straßenleben über uns zusammenschlagen zu lassen. Da gerade ein Festival in der Stadt läuft, sind allein die Zugänge derartig voll, dass der Bus in einer Tankstelle parken muss.

Ein Marokkaner hat einen Wagen mit mehreren Käfigen neben sich stehen, in dem Berberaffen schmachten. Er holt sie einzeln heraus, legt sie an die Kette und erschreckt mit ihnen z.B. Kleinkinder im Buggy, denen das Tier auf den Schoss springt. Durchdringende Schalmeimusik lockt zu Schlangenbeschwörern. Eine trommelnde Tänzergruppe wirbelt in einer anderen Ecke. Da hinten ist ein Menschenauflauf um ein Geduldsspiel herum. Es gilt, an langen Angeln Ringe um Kegel zu bugsieren. Als wir uns schließlich wieder vor der Apotheke sammeln, stehen lange Schlangen vor den Geldautomaten. Die ganze Zeit beschallt uns zusätzlich Popmusik von einer Bühne mit ohrenbetäubendem Lärm.

   

   

Eine andere Menschenmenge ballt sich um zwei verschleierte Tänzerinnen und drei Musikanten. Als der Geldeinsammler sieht, dass ich fotografiere, kommt er zu mir. Dieses Event ist mir einen Obulus wert. Leider ist der Akku des Handys schon wieder leer und die kleine Kamera macht minderwertige Bilder.

   

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