Beim Verlassen der Stadt durchqueren wir die Thuyawälder und folgen der Landstraße in Ufernähe. Ordentlich Brandung hat der Atlantik, Felsenabbrüche, meilenweit einsame Sandstrände. Die Dörfer haben keine Läden, keine Infrastruktur. Wer hier baden will, muss alles mitbringen und ist auf sich allein gestellt. Schwimmen ist außerdem wegen der Unterströmung gefährlich. Die Steilküste ist im Frühnebel nur zu ahnen.
Vor Safi stoßen wir auf einen neuen Hafen für die Phosphatverladung, Industrie zur Kohleverstromung und Entsalzungsanlagen. Von den hundert Fischkonservenfabriken in den 1950er Jahren ist nur noch eine in Betrieb, die restlichen eignen sich höchstens als Werbung für Lost-places. Der Industriekomplex Maroc Chimie und Maroc Phosphore bedecken mehrere Quadratkilometer mit Dutzenden von qualmenden Kaminen, kugelförmigen Tanks, Werkshallen, einem Gewirr von Rohren. Die Anlage ist von einem hohen Sicherheitszaun umgeben. Ein paar Dutzend Meter unwirtliches, kahles Gelände trennen den riesigen Industriekomplex vom Meer.
Die Stadt ist einer der wichtigsten Industriestandorte Marokkos. Hier befinden sich der grösste Chemiekomplex und der zweitwichtigste Güterhafen des Landes, in dem vor allem Phosphat, Phosphorsäure und Dünger verschifft werden. Die Stadt leidet unter enormer Umweltverschmutzung, hoher Arbeitslosigkeit und starken sozialen Spannungen; schon mehrfach ist es zu Aufständen gekommen, weil die Bewohner den Eindruck haben, dass von den Milliardeneinnahmen nichts der Stadt zugutekommt. Im Vergleich zu den anderen Städten wirkt der Ort wirklich schmuddelig.
Von 1508 bis 1541 war er fest in portugiesischer Hand und wurde von einer ca. 3 km langen geböschten Mauer umgeben. Von der Festung aus laufen wir sie ein Stück entlang und schauen von oben in den jüdischen Friedhof. Die Mellah ist wie ausgestorben und weniger spektakulär als das bisher Gesehene.
Aufgrund wiederholter Angriffe der Berber in der ersten Hälfte des 16. Jahrhunderts mussten die Portugiesen den Ort wieder aufgeben. im 17. und 18. Jahrhundert bestanden rege Handelskontakte nach Europa. Die dunklen Haufen an der ungepflegten Marina sind Algen, die für China geerntet werden. Guten Appetit, kann man da nur sagen, vor allem wenn man weiß, dass die Fanggründe durch die Chemieabwässer vergiftet sind.
Um Oualidia herum schaut der nackte Fels heraus, nirgends Mutterboden und trotzdem sieht man Esel. Was grasen die hier, um Himmels Willen? Für einen Fotostop halten wir und die Steinesucher flippen wieder aus. Meine Funde an kleinen Versteinerungen verschenke ich, der Koffer ist voll. Mohammed hat uns Flamingos versprochen, aber – nichts los in der Lagune vor dem Aussichtspunkt der Ornithologen bei El Jadida. Der Anblick erinnert ein bisschen an Aiges-Mortes in Südfrankreich.
Wir wollen gerade zum Bus zurück, da kommen Kinder auf uns zu. Die Mädchen tragen weiße Kittel als Schuluniform, den Jungs ist die Kleidung freigestellt. Offenbar ist die Schule zu Ende. Dem ersten Jungen schenke ich spontan die Tüte mit den letzten Kulis, die Begeisterung auslösen. Eine ganze Clique begutachtet die Beute und teilt sie unter sich auf, wie mir die anderen Mitreisenden beschreiben, denn ich sitze längst wieder auf meinem Platz im Bus.
Kurz darauf halten wir noch einmal, denn unser Reiseleiter will uns einen speziellen Genuss nahebringen. In einem kleinen Gartenlokal an der Straße schmurgeln auf dem Grill die frischesten Sardinen. Für 15 Dirham (1,50 Euro) gibt es sieben große Fische, die wirklich ganz umwerfend schmecken.
Gegen Abend grüßt uns schon wieder die große Moschee von Casablanca. Diesmal sind wir in einem Hotel der Innenstadt untergebracht. Theoretisch bestünde die Möglichkeit, zu Fuß noch einen letzten Bummel zu unternehmen, aber nur unsere Shopping-Queens haben noch nicht genug Souvenirs. Außer uns speist noch eine französische Gruppe im Restaurant. Von der Dachterrasse aus, wo ein DJ ohrenbetäubende Musik von Band laufen lässt, sieht man kurze Zeit die beleuchtete Moschee Hassan II.
Ich freue mich auf ein Entspannungsbad zum Abschluss. Das Vorhaben entpuppt sich als undurchführbar. Auf dem Ende der Wanne, wo der Wassereinlauf ist, sitzt die Duschwand. Man muss sich um die Ecke dehnen, um den Wasserhahn zu bedienen. Die Umstellung von Wasserhahn auf Duschkopf ist mal wieder festgerostet, diesmal funktioniert nur der Duschkopf. Und als ich mit größerer Kraft an dem Hebel ziehe, springt der Duschschlauch aus der Halterung und spritzt mit Druck nach allen Seiten wie eine wildgewordene Kobra auf dem Djemaa El-Fna. Meine Vorderseite ist nass, das Buch, das ich zurechtgelegt hatte, und der Badevorleger sowieso.
Unser Flug geht erst 12:40 Uhr. Mohammed bringt uns zum Flughafen und gibt uns noch die besten Wünsche mit. Wir sind alle ziemlich erschöpft von all den phantastischen Eindrücken. Davon werden wir noch lange zehren und anhand der Bilder und Mitbringsel in Erinnerungen schwelgen – vielleicht zusammen mit neuen Freunden.
Liebe Aide,
vielen Dank, dass Du mich mit nach Marokko genommen hast!
Besonders der Vergleich mit 1980 (meine Güte, ist das schon lange her) hat das Ganze schön abgerundet.
Viele Grüße
Gisela