Ihr fragt Euch unter Umständen, was wir eigentlich den ganzen Tag machen, wenn wir so an einem Stellplatz bleiben. Meist schlafen wir bis 9 Uhr. Sobald sich gegen 10 Uhr ein Tuten nähert, ist es der Brötchenservice. Nach dem Frühstück kommen wir überhaupt erst in die Gänge, nachdem wir ein Match Rummicup gespielt haben. Das beflügelt so einiges, ohne ins Detail gehen zu wollen. Ab und an ist Wäschewaschen nötig oder Einkauf per Motorroller. Nach Möglichkeit kombinieren wir letzteren mit einer kleinen Besichtigung im Umkreis von 8-20 km, selten weiter.
Am 16.12. nutzte ich erstmals in meinem Leben einen Wäschetrockner. Bei wechselhaften Campingbedingungen ist der nützlich, aber solche Energieverschwender kommen mir zuhause nicht über die Schwelle. Bei schönem Wetter ist es dann Zeit für einen Strandnachmittag (liegen, dösen, sonnen) und/oder bei schlechtem für einen Mittagschlaf. Ein Cappuccino mit Kuchen oder ein Cocktail in der Strandbar runden den Nachmittag ab. Es ist eine feine Sache, schon während der Reise das Tagebuch ausführlich zu bearbeiten. Früher war ich danach wochenlang damit beschäftigt, nachzulesen, Eintrittskarten einzukleben, Zeichnungen anzufertigen und mit der Hand zu schreiben! (Komme mir vor wie Methusalem.) Diesmal habe ich höchstens noch den letzten Schliff vor mir, d.h. deutlich weniger Stress und – es liest nicht nur die engere Familie.
Kurt liebt Schwedenrätsel, ich habe mehrere Monate die kniffeligen Um-die-Ecke-denk-Rätsel aus dem ZEIT-Magazin gesammelt, zu denen ich zuhause nie komme. Außerdem habe ich einen Stapel Bücher für www.rantlos.de zu lesen und zu rezensieren. Vor Ort gibt es zu Sehenswürdigkeiten meistens nur spärliche Informationen, d.h. Recherchen im Internet füllen die Lücken. Nach längeren Touren massieren wir gegenseitig die Füße, versorgen Wunden, duschen und ab 18 Uhr ist Kochen angesagt. Ist samstags Veranstaltung im Strandlokal, dann essen wir dort und bleiben zum Konzert. Abends locken Krimis, Tagesschau oder Filmkonserven und die Revenge im Rummicup. Mit Handy- und Computerproblemen kann man sich tagelang herumschlagen, Verbesserungen und Basteleien am Auto sind Kurts Ding. Dadurch wissen wir auch, dass es keine Baumärkte unserer Art in Spanien gibt, sondern Läden für jeden Materialbedarf. In der Ferreteria (für Eisenwaren) fragten wir z.B. nach Holzschnitt und der Verkäufer erklärt den Weg zu einem Schreiner. Mit Motorroller war der Weg wegen der Kreisverkehre und Einbahnstraßen blöd zu finden. Zu Fuß mache ich mich schneller auf den Weg, bin ich überzeugt. Aber, nirgends war ein entsprechender Laden zu sehen. Am aussichtsreichsten schien mir, einen Briefträger zu fragen, der gerade wieder sein Moped besteigen wollte. Der schüttelte den Kopf: English? No. Dennoch stieg er sofort ab und hängte sogar seinen Helm an den Lenker. Fragend schaute er mich lächelnd an. Ich sagte „shop“ , tippte mit dem Zeigefinger auf den Stamm eines Straßenbaums und machte eine Sägebewegung. Er lachte und verstand!
Der Laden war nur eine Ecke weiter, ich gleich mal rein und sah schon, dass der unsere Wünsche erfüllen konnte. Nun musste ich Kurt einfangen und dorthin lotsen. Super. Mit Hilfe sämtlicher Gliedmaßen und Kurts Zeichnung gelang die Bestellung. In zwei Tagen fertig. „Morgen geht nicht“, sagt die Verkäuferin per Translator von Google, der übersetzt: Morgen ist Party. Die Verkäuferin lacht, kopfschüttelnd grinsend murmelt sie: „Party“. Morgen ist Feiertag und im Kalender steht: Marias unbefleckte Empfängnis. Das hätte sich Mary auch nicht träumen lassen.
Der Austausch unserer portugiesischen mit einer spanischen Gasflasche hat prächtig funktioniert. Das war also eine richtige Entscheidung. Wie Ihr seht, der Unterschied zum Leben daheim ist nicht allzu groß, dort kann ich noch Schnitzen, Bildhauern und habe meine Schreibtreffen. An einem längeren Roman zu schreiben, ist jedenfalls mir im Womo nicht machbar, allenfalls Ideen sammeln. Mein Verlag wartet schon für analoge Verhandlungen zum nächsten Manuskript. Es ist auch sehr problematisch, sich etwas per Post hierher schicken zu lassen, wie Schweizer Mitcamper erfahren haben, die Wochen hier festsitzen, weil ihre Pakete beim Zoll festhängen. Wir hätten uns gerne neue Sprechverbindung für die Motorradhelme schicken lassen, aber wir verzichten lieber.
Immer häufiger regnet es, und zwar stundenlange Gewitter mit Starkregen, der so laut aufs Dach trommelt, dass man sein eigenes Wort nicht mehr versteht, anfangs nur nachts, später ganztags, ohne dass das Thermometer unter 14 Grad fällt. In den kurzen Pausen bringt man schnell seinen Abfall weg. Weit genug sind wir von der Hangkante entfernt, sollte es einen Erdrutsch geben. Danach ist das Meer aufgewühlt, die Wolken hängen tief. Umso freudiger nutzen wir dann die Sonnenstunden. In Lissabon hat es wieder Überschwemmungen gegeben, auch Malaga ist betroffen. Leider hat es immer dann geregnet, wenn in Torre del Mar Wochenmarkt ist.
Am 7.12. unternehmen wir eine länge Tour entlang der Küste bis Nerja. Die meisten Retortensiedlungen auf der Strecke sind entsetzlich gesichtslos und wenig verlockend. Da haben wir es doch gut getroffen. Auch die Womoplätze, die direkt am Strand liegen, sind spartanisch ohne Bepflanzung, dicht an dicht. In Lagos müssen wir wieder das Ortsschild knipsen, ebenso die Wachttürme. Die Innenstadt von Nerja gefällt uns gut. In der Fußgängerzone reihen sich die Geschäfte mit Süßigkeiten, Lederwaren, Souvenirs. Die Weihnachtsbeleuchtung konkurriert mit vollen Orangenbäumen. Ganz zentral mit Straßenmusikanten liegt der Balkon Europas, eine Aussichtsplattform über die Steilküste und etliche Buchten. Mit Blick darauf ist ein Besuch eines Cafés unerlässlich. 17:30 Uhr sind wir zurück. In einer anderen Regenpause spaziere ich eine Stunde zum Torre de Jare. Kurt hat Hüftschmerzen und verarbeitet lieber sein Holz.
Bereits 1797 war „El Ingénio Azucarero de Torre del Mar“, eine Zuckerfabrik, errichtet worden, und die Region um Torre del Mar, die schon seit langem ein Zuckeranbaugebiet war, erlebte nun einen neuen, heftigen, wenn auch kurzen Aufschwung. Die Zuckerherstellung verbrauchte große Mengen Holz, was zur Rodung der nahen Waldgebiete führte- Nachdem diese erschöpft waren und der Holzpreis in die Höhe geschnellt war, lohnte sich der Betrieb der Zuckerfabrik nicht mehr. Erst 1845 erhielt die Zuckerwirtschaft mit der Gründung einer Zuckergesellschaft der spanischen Produzenten wieder neuen Auftrieb. Dieser brachte aber vor allem für die größeren Bauern Vorteile, da nur sie den Anforderungen der Gesellschaft gerecht werden konnten. Zuckerrohr wuchert entlang aller Gräben.