Die Nacht kostet 16 Euro, der Monat 250 Euro. Wasser, Entsorgung, Strom, Toiletten, Dusche, Brötchenservice inklusive. Wir haben uns entschieden. Hier bleiben wir länger. Zu besichtigen gibt es wenig, Einkaufsmöglichkeiten sind vorhanden. Der Landstrich zwischen Malaga und Almeria soll der wärmste sein, die besten Voraussetzungen
um zu Entspannen.
Almayate gehört zur Gemeinde Vélez-Málaga und liegt an der Mündung des Vélez zwischen den Erhebungen Peñón und Alarcón, einem strategischen Punkt für die verschiedenen Völker, die sich im Verlauf der Geschichte an der Küste niederließen.
Die Römer sind nachweisbar auf 150 qm. Das Dorf entstand, als die Kathedrale von Málaga gebaut wurde. Hier befanden sich die Steinbrüche, die den Bau mit Material versorgten. Der Ort hat sich mit der Zeit immer mehr der Küste genähert, um sich der Agrikultur zu widmen (Zuckerrohr, Blumen, Paprika leuchtet unter den Blättern und Mandarinenbäumchen, Mango, Papaya, Avocado). Viele Felder sehen aus wie für Spargel hergerichtet: Pflänzchen werden gerade gesetzt, wir erkennen nicht, welche. Der Horizont wird von dem Peñón del Toro dominiert, einem natürlichen Hügel, auf dem eine der bekannten Werbefiguren des Osborne-Stiers steht.
In der Zeit der Nasriden (1232–1492) war Almayate das wichtigste Landgut der Region Vélez-Málaga und war vor allem für seine Bewässerungslandwirtschaft berühmt. Aus dieser Zeit sind die Wachttürme übrig: Der Torre del Jaral, Torre Manganeta, Torre Moya etc. „No hay moros en la costa“ – Es sind keine Mauren an der Küste. Was heute in Spanien eine eher ironische Redensart ist und so viel bedeutet wie „die Luft ist rein“, war über Jahrhunderte furchterregende Realität. Vom 14. bis ins 19. Jahrhundert dienten befestigte Ausgucke als Schutz vor Piraten, die küstennahe Orte plünderten und bevorzugt Menschen auf ihre kleinen, schnellen Boote oder vorgelagerte Inseln als Geiseln nahmen. Erhielten sie nicht das geforderte Schutzgeld, hieß es für die armen Seelen oft: Sklaverei in Nordafrika. Auch auf der weiteren Strecke nach Nerja finden sich die Türme in regelmäßigem Abstand. Einige sind rechteckig, an der Basis von 5 x 3 Metern Dm. und mehr als 8 Metern Höhe. Auf 6 m Höhe ist ein Zugang zu einer Kammer, darunter ist mit Schüttgut aufgefüllt. Das Dach hat eine Brüstung mit verschiedenen Öffnungen. An den Ecken wechseln sich große Steine und Ziegel ab.
Miguel de Cervantes (Autor von Don Quichote) konnte davon ein Lied singen, denn er fiel in die Hand solcher Piraten, als er 1575 von seinem Kriegseinsatz in der Lepanto-Schlacht nach Hause zurückkehren wollte.
Nach vier Jahren gelang der Freikauf. Es waren nicht nur wilde Berber aus Nordafrika, Osmanen vom Bosporus oder Balkan, vertriebene islamische Spanier oder zwangskonvertierte Morisken aus Al-Ándalus, die Spaniens Küsten unsicher machten, sondern oft gewerbsmäßig organisierte Banden. Tauchten verdächtige Schiffe auf, meldeten die Männer das mit Rauch-
oder nachts mit Feuerzeichen an den benachbarten Turm, sowohl an der Küste als auch landeinwärts und verzogen sich dann schleunigst in die Büsche. Denn bis eine Streitmacht zu Hilfe kommen konnte, vergingen oft Tage. Manche der maurischen Türme übermittelten mit einem ausgeklügelten Spiegel-System Kurznachrichten.
Das Alter der Küstenbauten lässt sich nach ihrer historischen Phase einteilen. In folgenden Perioden wurden die meisten Wach- und Verteidigungsburgen und Türme errichtet:
- Muslimische Herrschaft und Dynastie der Nasriden im Königreich Granada (1231 bis 1492).
- Anfang des 16. Jahrhunderts und Zeit der Reconquista (Rückeroberung des muslimischen Spaniens durch Katholische Könige).
- Das historische Jahr 1570 mit den maurischen Aufständen in den Alpujarras (Vorgebirge der Sierra Nevada).
- Regierungszeit unter Carlos III und Zeit der Piratenangriffe vom 16. bis 18. Jahrhundert auf die andalusische Küste.
Mittwoch, d. 23.11. diente vor allem der Einrichtung, der großen Wäsche, Duscherei und Putzen des Womos. Es war sehr windig bei 25 °C. Wir beschweren die Bodenunterlage mit meinen Steinen und den portugiesischen Lämpchen, weil die sonst einfach wegfliegt. Die Wäsche ist hervorragend getrocknet, als wir von einem ersten Strandspaziergang zurückkommen. Ich befürchtete zu Unrecht, das letzte Mal kurze Hosen getragen zu haben. Zumindest von 12-16 Uhr ist das auch weiterhin möglich, nur abends muss man entweder rein ins Womo oder alle warmen Sachen anziehen. Beim Spaziergang fand ich natürlich wieder interessante Versteinerungen. Der nächste Tag gehört dem Strand. Während ich tags zuvor ziemlich weit Richtung Stadt laufen musste, bevor ich einen Weg zum Strand fand, wussten wir jetzt von einem Pfad. Abends sehen wir Paraglider und beobachteten Schwärme von Kormoranen. Wenn sie im Sturzflug ins Wasser eintauchen, gibt es kleine Fontänen, es ist ein Gespritze und Geschnatter. Da heute das Strandlokal geöffnet hatte, von dem ich dachte, es hätte schon winterdicht, saßen wir unter Palmen für ein Bier, Spießchen und Würstchen in der Sonne. Das Lokal liegt auf der anderen Straßenseite mit direktem Zugang zum Strand. Ich war von dem Bier am Nachmittag so daneben, dass ich wie bewusstlos in Mittagschlaf fiel, kaum dass der Wagen erreicht war. Wir bezahlten unseren Platz für einen Monat, auch wenn die Sanitäranlagen mehr als primitiv sind (kann uns egal sein), aber die Lage macht’s.
Am 25.11. fuhren wir per Motorroller nach Torre del Mar bis zum Strand. Hier stritten Papageien um die besten Blüten und viele Zerstreuungsmöglichkeiten sprachen uns an: Ein kleiner Pavillon lädt zu Lesungen ein, es gibt eine öffentliche Strand-Bücherausleihe, Schachbretter, Fitnessgeräte, Konzertpavillon, Lokale, Leuchttürme etc. Die Anlagen sind sehr gepflegt und überall sieht man fitte Senioren mit Fahrrad oder joggend unterwegs. Länger saßen wir am Strand.
Nach einem etwas unbefriedigenden Einkauf wollte ich auf dem Rückweg gern den Steinbruch in Augenschein nehmen, den man vom Campingplatz aus sieht, aber wir fanden keinen Weg, nur eine Ziegenherde. „Lass uns mal auf den nächsten Hügel und die Aussicht genießen“, war Kurts Idee. Wir durchquerten Almayate und fuhren immer höher. Als wir die letzten Häuser erreichten, stürzten sich auf einmal sechs kläffende Köter aller Größen wie von Sinnen auf uns. Die größte Töle (weiß mit schwarzen Flecken) biss mich in die linke Wade und wenn Kurt nicht Vollgas gegeben hätte, wäre das andere Bein auch noch dran gewesen. Nach 200 m und einer Kurve hatten wir sie abgehängt und besichtigten den Biss – ruhig beobachtet von einem Schäferhund, dem ein Ohr hochstand und eines seitlich weggeklappt war-, der lässig über ein sicheres Balkongeländer lehnte.
Zum Glück hatte meine Jeans Schlimmeres verhindert, die Wunde blutete nicht, zeigte aber Abrieb und Blutergüsse der Zähne. Wir warnten einen entgegenkommenden Motorradfahrer mit Händen und Füßen. Wir mussten denselben Weg zurück, also ging ich langsam zu Fuß und Kurt rollte nur. Bis auf den Angreifer klafften nun alle Hunde aus ihren Vorgärten, der schwarz-weiße schnürte über die Straße und schlüpfte auf eine Veranda, um von dort aus weiter zu bellen. Keine Menschenseele zu sehen, auch nicht auf unser Rufen. Ich fotografierte das Haus und den Straßennamen, dann suchten wir im Ort einen Arzt oder Polizisten, aber man wies uns nach Torre del Mar. Zuerst brachten wir mal unseren Einkauf auf den Campingplatz. Dort erzählten wir einer Langzeitcamperin von unserem Erlebnis und die bot sofort Hilfe an und lotste uns zum Krankenhaus. Dort warteten wir in der Notaufnahme geschlagene vier Stunden, bis ich endlich eine Tetanusspritze bekam, ein Rezept für Antibiotika und einen Bericht für die Polizei. Ob die allerdings irgendwas unternehmen würde, stand in Frage. Inzwischen hing uns 20:30 Uhr der Magen in den Kniekehlen. Kurt war schon flau wegen anstehender Unterzuckerung und hatte von einer Schwester Kekse bekommen, es war dunkel und entsprechend kalt. Doch wir waren froh, als wir endlich „zuhause“ waren.
Die nächsten Tage verbringen wir viel Zeit am Strand. Wir bräunen rapide. Mitunter kommen Paraglider, Gyrocopter, Reiter, Spaziergänger, Fischerboote vorbei. Unsere niederländische Strandmuschel leistet uns gute Dienste, ebenso die Sandburg, die allerdings manchmal von Fremden okkupiert ist. Meistens krönen wir den Tag mit einem Cocktail im Strandlokal, taumeln nach Sangria nur über die Straße und ins Bett. Im Strandlokal erleben wir einmal ein Konzert mit Gitarre, bei dem die anderen Gäste die Texte mitsingen, ein andermal eine Flamenco-Show einer vierköpfigen Band, die etliche zum Tanzen mitreißt. Kurt hat sich breitschlagen lassen, eine Paella mitzuessen, auch das ein kulinarisches Erlebnis. Zu dem Event haben wir alle warmen Sachen angezogen und eine Decke mitgenommen. Der gegrillte Fisch schmeckte super.
Am 27. 11. entdecke ich im Internet eine phönizische Ausgrabung, die in der Nähe sein soll.
Nach einigem Fragen und Herumgefahre finden wir sowohl den Palmenhain Nekropolis Jardín in dem die Gräber liegen, leider zum Verkauf und umzäunt, im Cortijo de Los Toscanos aus dem 8. Jahrhundert v. Chr. eine Fabrik, die sich bis ins beginnende 6. Jh. v. Chr. der Landwirtschaft, der handwerklichen Produktion und dem Handel mit Produkten aus dem östlichen Mittelmeerraum widmete. Ausgrabungen haben Überreste eines großen Lagerhauses freigelegt, das durch eine Mauer und einen Wassergraben geschützt ist, Wohnungen und Hafenanlagen für 1000 Bewohner.
Die Medizinische Station, bei der ich meine Wunde kontrollieren lassen will, ist in Almayate nicht zu entdecken. In einer Ausbildungsstätte für Pfleger kennt man keine, hat auch kein Interesse mich als Übungsobjekt zu nutzen. Was haben die Ärzte im Krankenhaus für Blödsinn erzählt? In Torre del Mar soll es eine geben. Am besten fragen wir in einer Apotheke. Wirklich, der Apotheker gibt die Adresse ins Handy ein, trotzdem müssen wir alle Tricks anwenden, um in den Einbahnstraßen dahin zu kommen. Es wird eine Nummer gezogen wie im Straßenverkehrsamt, dann erklärt eine Sekretärin per Handy-Translator, dass ich mir einen Termin geben lassen müsse, Papiere und Kopien mitbringen etc. Das ist mir alles zu blöd. Ich verzichte auf eine Kontrolle und kaufe bei dem netten Apotheker, der auf einmal sogar Deutsch spricht (ich hatte ihm den Arztbericht gezeigt, aus dem er das wohl entnommen hat) die entsprechenden Mittel zur Wundversorgung.