11. Traumziel Algarve – Abschiedsstimmung

Kaum war ich von der Ausgrabung zurück, setzte Regen ein, der sehr heftig ausfiel und bis abends dauerte. Wir beschlossen, an die Marina in Portimão zurückzufahren, dort irgendwo zu essen und dann noch im englischen Pub zu schauen, ob dieselben Wirte noch dort sind, die Kurt Anfang des Jahrtausends kennen lernte. Das klappt auch alles. Viele Lokale haben geschlossen. In Ermanglung eines indischen wählen wir ein chinesisches, das keinen Vergleich mit unseren aushält. Die Einrichtung ist spartanischer, es dauert relativ lang, bis das Essen kommt. Wir haben beide Ente bestellt, kross. Der Kellner bringt eine Platte und beginnt das Fleisch zu entbeinen und zu zerreißen.

Er muss uns als zahnlose Greise einschätzen. Bringt er noch Reis? Ich frage vorsichtig, weil auf der Karte die Beilagen extra aufgeführt wurden. Er verneint, es kämen aber noch Gemüse, Soße und irgendwas Unverständ-liches. Gespannt beginnen wir, zu essen, als er noch eine zweite Platte Fleisch bringt und sie genauso traktiert wie die erste. Dann kommen zwei Platten mit hauchdünnen Pfannkuchen, Sojasauce und in Stäbchen geschnittenes grünes und weißes Gemüse. Ohne Gewürz, undefinierbar scharf und kalt. Nach der Hälfte sind wir pappesatt und fragen uns, ob wir aus Versehen zweimal die 2-Personen-Platte bestellt hatten. Jedenfalls lassen wir uns den Rest einpacken. Dann geht es um die Ecke ins Pub. Ja, das ist typisch englisch, die Möbel, die Tischläufer, Poster von 1930er Filmstars, auch der Oxfordakzent der Eigner. Nur drei Gäste außer uns, Kurt erkennt alles wieder:  Wir erfahren, dass der eine auf die Galanta eingeladen wurde und Bert, der Stammgast war, ihm die Entstehungsgeschichte des Schiffes erzählte. Die beiden Schwulen sind erschüttert, dass Bert tot ist. Fast familiär werden wir verabschiedet. Zur Nacht betten wir uns wieder bei Lidl, den wir schon kennen, es ist der letzte freie Platz.

Morgens starten wir bei bester Sonne, aber nur 16°C ins Monichique-Gebirge. Wir wählen die direkte Strecke an der Flussmündung vorbei. Hier und im anschließenden Tal leben unzählige Störche auf allen möglichen Unterlagen. Je höher wir kommen auf menschenleerer Straße, umso öfter sehen wir angekohlte Waldstücke, Wiederaufforstung, Mandarinenhaine, Erdbeerbäume, geschälte Korkeichen. Unvermittelt kommt der Abzweig Caldas de Monchique, aber das Sträßchen wird immer enger, Felsüberhang, Bäume und Hauserker warnen uns lieber umzukehren, bevor wir irgendwo feststecken. In einem kleinen Ort können wir komfortabel unsere Toilettenkassette entleeren. Monchique fesselt uns nicht.

Wir machen Fahrerwechsel und steuern nach Albufeira, wo mir Kurt die Golfhotels zeigen will, die hier die Küste verbauen. Auf einem Busparkplatz halten wir Mittagsrast mit Kaffee und Schläfchen, dann lockt die Praia da Falésia.

   

       

Es erfordert einiges Rangieren, aber wir finden dank Herbst (alle Ferienwohnungen leer) einen Parkplatz und pilgern in den Minifischerhafen. Die Felsen strahlen rot in der Abendsonne hinter blau gestrichenen Hütten, grandios! Ich kann mich kaum losreißen, zumal ein Pfad hinunter an den Strand und um die Klippe herumführt. Den würde ich zu gern gehen, aber es wird spät, wir müssen uns ranhalten, wenn wir noch vor der Dämmerung einen Übernachtungsplatz finden wollen.

Schweren Herzens nehmen wir Abschied von der Felsenküste, ab jetzt kommt nur noch Flachland. Die Nacht erleben wir auf einem Lidl-Parkplatz in Faro.

     

     
Faro war einen Tagesstopp wert. Außerhalb der Saison haben wir auf einem Riesenparkplatz die Auswahl direkt an der Stadtmauer zur Cidade Velho und im Tiefflugbereich des Flughafens. Wir durchqueren den Arco do Repouso und sehen ein Werbeplakat auf dem Platz: Fado Live-Musik im Museum. Das wär doch was! Den spätesten Termin suchen wir uns aus und schlendern weiter zur Kathedrale, die leider z.T. eingerüstet ist. Aber man kann auf den Glockenturm mit gewaltiger Sicht über die Lagune bis zur Landebahn, über die Salzpfannen und Dachterrassen des Ortes. Obwohl wir extra mindestens 30 Minuten oben bleiben, kommt kein Flugzeug. Erst als wir wieder unten sind, landen mehrere in kurzen Abständen. Im Hof gibt es eine Knochenkapelle, bei der der Altar aus Schädeln und Langknochen zusammengesetzt ist zu Mustern – makaber. Die Gesichtsknochen sind fast alle weggebrochen und nur die Hinterköpfe sieht man als Schüsseln.

           

Aber die Kathedrale ist absolut sehenswert., auch wenn in jeder Stilepoche etwas angebaut wurde. Die barocken Altäre sind deutlich anders als der Barock bei uns, viel vergoldetes Holz, weniger Figuren. Die Wände der Seitenkapellen sind mit Fliesenbildern verziert, sogar die gotischen. Dort, wo unsere Kirchen mit Malerei verziert wären, sind hier die Kreuzrippen passgenau ausgefliest mit Ornamenten, Mohrengestalten tragen die Kandelaber – die Kolonialisten lassen grüßen. Vor der Kirche spielt ein Querflötist klassische Melodien und erzeugt eine angenehme Atmosphäre. Auf dem Arco da Vila klappern Storchenpaare aus mehreren Nestern und nehmen die Weihnachtsgirlanden gelassen.

     

Kurt würde gerne mit dem Sightseeingbähnchen fahren. Als wir die Haltestelle endlich finden, hat es gerade Mittagspause und das nächste überschneidet sich dann zeitlich mit unserem Konzertwunsch, das Tuk-Tuk ist uns zu teuer. Deshalb trinken wir lieber einen Kaffee in der Fußgängerzone und verzichten auch auf die Igreja do Carmo mit ihrer Knochenkapelle, weil uns das Navi sagt, sie sei möglicherweise schon geschlossen, wenn wir sie erreicht haben. Dagegen war der Besuch des Stadtmuseums mit der Live-Musik gelungen.

     

Das Video vorweg erläuterte die Entwicklung von der Entstehung dieser Musikrichtung bis heute, wo sie zum Weltkulturerbe zählt. Vor allem der Spieler der zwölfsaitigen Gitarre war klasse. Die Diva im fortgeschrittenen Alter und entsprechend rauchiger Stimme sang inbrünstig aber gewöhnungsbedürftig. Auf jeden Fall haben wir etwas dazugelernt, weil wir bisher annahmen, Fado sei eine spezielle Art des Flamenco. Ich musste mir allerdings ein Kichern verkneifen, weil ich die Vorstellung nicht loswurde, da vorne stünde Kaya Yanar und imitiere das Portugiesisch. Wir folgten der Bahnlinie nach Olhão, ein Ortsname, den selbst ein Besoffener wunderbar aussprechen kann. (Wenn ihr’s nicht hinkriegt, dann machen wir es Euch mal vor, wenn wir zurück sind.) Die Straße führte an alten Markthallen in Hafennähe vorbei, aber der Ort reizte uns jetzt genauso wenig wie auf der Herfahrt. Wir schafften es bei letztem Tageslicht bis Tavira und fanden dort einen kostenlosen Stellplatz unter einer Eisenbahn- und einer Straßenbrücke neben anderen Wohnmobilen am Ufer eines Flüsschens, das mich kurioserweise an die Lahn bei Dietz erinnerte.

One thought on “11. Traumziel Algarve – Abschiedsstimmung

  1. Ich freue mich immer wieder, euer Reisetagebuch zu lesen. Das „Erfahrene“ und die Erlebnisse sind beeindruckend, dabei historisch fundiert, und die phantastischen Fotos geben dem Ganzen dem ihm zustehenden Glanz. Wunderbar und danke! LGMarlene

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert