8. Traumziel Algarve erreicht

Wir starten zur Grenze und werfen im Vorbeifahren einen Blick aufs Expogelände von 1992. Eine harfenähnliche Brücke, eine Raketennachbildung, diverse moderne Architektur und schon sind wir auf der Autobahn. Nochmal tanken wir in Spanien für 1,66 Euro der Liter, in Portugal ist der Sprit genauso teuer wie in Deutschland (1,92-2,08). Wir passieren eine Ortschaft, an der eine Hochspannungsleitung vorbeiführt und soweit das Auge reicht, sitzt auf jedem Mast ein Storchennest.

Herbert hat uns einen Campingplatz bei Olhᾶo empfohlen. Ja, den schauen wir uns an, aber er gefällt uns gar nicht. Der Strand ist flach und ähnelt nicht im mindesten den Bildern der Algarve, die man so hat. Deshalb fahren wir weiter. Nach der nächsten Platzbesichtigung (wie Massentierhaltung, so eng stehen die Wagen) passiert etwas Unangenehmes: Kurt wartet den Gegenverkehr ab, die Sonne steht tief, er fährt mit 30 km/h wegen der Geländeschwellen will an einem parkenden Kleinlaster vorbei fahren. Plötzlich seh ich vor mir ein Eisengitter auf mich zukommen, in derselben Sekunde tut es einen Schlag. Ich bin sicher, dass unsere Seite aufgerissen ist oder zumindest eine Kerbe ziert. Wir halten an und schauen nach, nichts ist zu sehen. Nur der rechte Seitenspiegel ist eingeklappt und dafür braucht man schon Kraft. Wir gehen zurück und reden den Handwerkern ins Gewissen. Das hätte im wahrsten Sinne des Wortes ins Auge gehen können. Das Gitter war nicht gesichert oder markiert und ragte in 2 m Höhe ca. 40 cm über die Ladefläche hinaus, max. 2 cm dick. Ich hatte ein Déja vu mit Niš (in Jugoslawien 1979), als wir in einer ähnlichen Situation nachts in den Krümeln unserer Frontscheibe saßen.

Die im Reiseführer angegebene Tankstelle, die deutsche Gasflaschen auffüllt, gibt es nicht mehr. Wir fahren und fahren, ohne einen Campingplatzhinweis zu finden. Bald wird es dämmern und wir können doch nicht jedem Schild „Strand…“ folgen. Als  wir Portimão erreichen, habe ich eine Idee: „Mit Segelfluganhänger sind wir doch auf Lidl-Parkplätzen gut gelandet. Da war eben ein Hinweis Lidl.“ Tatsächlich: Dort gibt es sogar fünf extra für Womos ausgezeichnete Parkplätze. Vom Verkehr umtost schlafen wir ausgezeichnet und gegen 5 Uhr morgens geht ein kleiner Regenschauer runter.
Von dort aus fahren wir nach dem Frühstück als erstes an die Marina, die Kurt so gut kennt, weil er dort vor Jahren mehrfach seinem Freund beim Lackieren der „Galanta“ und anderen Reparaturen half und mitsegeln durfte. Wir parken am Straßenrand, bummeln entlang der Hauptstraße und entern schließlich den Strand.

      

Sagenhaft! Kurt hat mir nicht zu viel versprochen. Der Spaziergang dehnt sich auf 7km. An einer Werbebude kriegen wir Lust auf eine Bootstour entlang, durch und hinein in die Grotten. Ein Polizist empfiehlt uns den Campingplatz in Alvor, einem Vorort von Portimão. Nach zwei Fehlversuchen, wo auf Beachparkplätzen Womos nicht gern gesehen sind, finden wir den auch. Der Platz ist nicht allzu groß, verteilt sich über einen Hang, hat Swimming Pool, saubere Waschhäuschen mit Waschmaschinen. Auch die ACSI-Verbilligung greift: pro Nacht 16 Euro, statt 22 Euro, alles inklusive und, wie wir am nächsten Tag merken, liegt ein guter Supermarkt ums Eck, wo ich jeden Morgen frische Brötchen hole.

Neben uns lebt ein spleeniger Brite mit Frau und zwei Hunden schon drei Jahre in einem vergammelten Winnebago und einer Menge solarbetriebener Leuchtkugeln etc. als Umrandung. Sein Englisch ist kaum verständlich, was nicht nur an seinen schlechten Zähnen liegt. Ich kann den Slang nicht einordnen. Er meint, das Gras an unserer Grenze schneiden zu müssen und versaut unsere ganze Seite. Als Kurt ihn darauf hinweist, entschuldigt er sich zwar, bietet aber keine Hilfe an. Immerhin weist er uns darauf hin, dass wir unser Kabel von der Rolle runterlegen sollten, weil bei ihm schon eines auf die Art kaputt gegangen sei. Es scheint ihm unangenehm zu sein, dass sein an der Leine liegender Hund freudig mit uns Kontakt sucht, in den kommenden Tagen verbarrikadiert er sich immer mehr mit allerhand Sperrmüll. Abends wird es schnell kühl, in dieser Nacht frösteln wir bei 14 Grad. Wir stellen unsere Heizung auf 16 Grad, die aber in den kommenden Tagen doch nicht gebraucht wird.
Am nächsten Tag ist Säuberung von allem nötig: erst wir, dann die Wäsche und am Ende das Auto innen. Mit Muße geht alles über die Bühne. Wir schaffen es an diesem Sonntag sogar auf den kleinen Wochenmarkt, der aber im Vergleich zu Aguilas nicht der Rede wert ist, nur Gemüse, Oliven und Obst. Ein kleiner Spaziergang vermittelt den ersten Eindruck vom Dörfchen, den Kaminen und Cafés. Wir sitzen eine Weile beim Capuccino und fahren dann noch am Flugplatz vorbei, wo wir mehreren Ladungen Skydivern beim Landen zuschauen. Auf dem Campingplatz werden auch Hütten verkauft und vermietet.

Ein Engländer hat seine Hütte per Tieflader vor 30 Jahren hierherschaffen lassen, betreibt seinen Vorgarten mit Solarkraft. Die Hütten kosten 100 Euro pro Nacht bei Miete und angeblich 54.000 britische Pfund bei Kauf. Nun, die Leute nutzen dann die Waschmaschinen und Duschen mit, wer’s mag. Wir buchen die Bootstour für Donnerstag, nachdem noch andere vier Mietfahrer gefunden wurden. Im nächsten Monat wäre das wohl nicht mehr möglich. Gegen Abend setzt etwas Regen ein.

Am 8.11. weckt uns strahlende Sonne, als wäre nichts gewesen. Uns treibt jetzt das Gasproblem um. Deutsche Flaschen werden nicht gefüllt, die hiesigen Adapter passen nicht. An der Rezeption kriegen wir mehrere Adressen, wo man eventuell helfen kann, aber es zieht sich. Nach einigem Rumtelefonieren findet sich eine Hoffnung durch einen deutschen Mechaniker, der 30 km entfernt haust. Wir kriegen einen Termin für morgen. Da Regen angesagt ist für Nachmittag, sputen wir uns nach Ferragudo (8 km). Wir sind so verschusselt, dass wir vergessen das Auto abzuschließen, aber das Glück ist uns an diesem Tage mehrfach hold. Beim Leuchtturm von Ferragudo parken wir den Motorroller und spazieren entlang der Küste. Atemberaubend, diese Ausblicke!!

   

In tiefen Löchern gischten die Wellen. Bis zu einem Lokal am Strand folgen wir den Pfaden durch die Macchia. In der Annahme, dass es ablaufendes Wasser sei, hockt sich Kurt auf einen Felsen an der Waterkant, ich wundere mich noch über die Wasserspuren hinter den Felsen. Ein Schrei, ich sehe, dass eine Sandale von Kurt von einer Welle weggetragen wird. Die nächste Welle spült sie wieder näher, aber bevor ich zugreifen kann, zieht sie die übernächste Richtung Meer. Ich stelle mir vor, wie ich Kurt über meinen Rücken ziehe und durch die Macchia schleife, das steigert meinen Adrenalinausstoß. In diesem Moment hätte ich mich auch mitsamt umgehängter Handtasche in die Brandung geworfen. Hektisch stapfe ich der Sandale hinterher, da bricht die nächste Welle darüber hin, keine Sandale mehr zu sehen. Mist! Huch, da ist sie wieder, ein paar Meter weiter. Ich renne ohne Bedenken dem Wasser entgegen, bis übers Knie reicht es schon, da kann ich sie endlich greifen. Selten hat ein alter Latschen solche Freude hervorgerufen. Nach dieser Aktion lassen wir uns auf den unbequemen Sitzen des Lokals nieder und genehmigen uns ein Eis. Kurt entsandet seine Füße, gar nicht so einfach, wenn es überall feucht ist. Mit zwei Sandalen ist der Rückweg zum Leuchtturm deutlich entspannter.

Vom Turm aus beobachten wir Angler an den Klippen (Einer gibt auf, nachdem er sich selbst am Haken hatte.) und ein Kreuzfahrtschiff, das gerade im Stadthafen Portimão ablegt. Die Felsen sind aus ganz unterschiedlich harten Schichten aufgebaut und brechen manchmal ganz horizontal wie gepflastert. Leider bricht das Stück, in dem ich eine eingebackene Muschel gefunden habe, nicht wie gewünscht und ausgerechnet heute habe ich meinen Geologenhammer nicht dabei. Um zwanzig Uhr beginnt ein mehrere Stunden dauernder Wolkenbruch. Erst Tage später erfahren wir, dass über Lissabon ein Tornado getobt hat.Der 9.11. steht unter dem Zeichen der Gasflasche. Nach dem Frühstück geht es mit dem Womo nach Armação de Pêra, die Werkstatt liegt in einem großen Campingplatz: Ingo ist unser Retter. Er weiß für alles Rat und Hilfe. Wir kaufen einen portugiesischen Adapter und müssen auf die Lieferung der Flaschen warten. Gegenüber des Kreisels liegt der Friedhof. Auch hier scheint Marmor billig, die Urnengräber haben Glasscheiben vor dem Fach. Dann laufen wir 1 km bis an die Marina, werfen einen Blick an den Strand, essen ein Eis und trödeln in einem Strandlokal, von dem aus wir beobachten, wie Trecker Motorboote ins Wasser schieben bzw. auch wieder auf den Strand ziehen. Das würde Kurt auch Spaß machen!

In diesem Ort greift sichtbar die Aufforderung (noch) nicht, beim Spazieren mit dem Hund immer eine Tüte dabei zu haben. „Heben Sie den Kot Ihres Hundes auf. Legen sie ihn in den Behälter. Helfen Sie uns die Straßen sauber   zu halten. „Las cacas“ ist hier „dejecto“.

Kurz hinter dem Ort erstehen wir bei einem Töpfer zwei Schornsteintürmchen und erreichen erst im Dunkeln wieder den Zeltplatz, wo mehrere Nachbarn Anteil genommen haben an unserem Problem. Neben uns stehen Holländer, die hatten eine Wäscheleine mit Handtuch vor die Einfahrt gespannt, hinten hatten wir das Motorrad stehen lassen, damit sich keiner hinstellt. Der Holländer und ein Deutscher von gegenüber eilen gleich herbei und winken Kurt ein, damit er wieder auf die Keile fährt.        

Lieber wäre es uns gewesen, wenn die Bootsfahrt an unserem Jahrestag gewesen wäre, aber so ist sie einen Tag früher. Täglich kann das Wetter umschlagen, da wollen wir mal nicht mäkeln. Um 10:15 Uhr am Hafen heißt es: Alles bestens. Es ist gerade Ebbe, der Zubringerbus zum Hafen Portimão hat die Stoßdämpfer kaputt. Kein Wunder bei den Huppeln. Unser Boot ist ein Schlauchboot. Wir sind zu neunt mit Kapitän und Schiffsjunge. Sogar einer gehbehinderten Dame wird hineingeholfen.

Langsam gleitet das Boot an einem Trimaran und zwei größeren Yachten vorbei, dann sind wir im Freiwasser und was wir jetzt sehen, das sprengt jede Art von Beschreibung. Zweieinhalb Stunden lang bis Benagil folgt ein Highlight dem nächsten. Kurt filmt, bis sein Speicher den Geist aufgibt. Der Kapitän chauffiert uns in die Grotten hinein, erklärt die Entstehung und Anekdoten, die Dörfer oder Hotels am Ufer. In der größten Grotte sind Gruppen von Paddlern unterwegs, nicht einfach, dort heil rein und wieder raus zu kommen. Im Sommer wird auch ein Badestop eingelegt, aber der fällt aus. Um 13 Uhr sind wir zurück und ganz kirre vom Schauen.

An unseren Jahrestag möchten wir romantisch Essen gehen, nur wissen wir nicht recht wo. Versuchen wir es mal in Portimão. In der Marina trifft Kurt nun auf dem Boot, das er kennt, den (neuen, ebenfalls deutschen) Besitzer an. Vor drei Jahren hat der das Boot von Willi gekauft, den Kurt von früher kannte. Der empfiehlt uns ausgerechnet das Lokal, vor dem uns die Sandale fast abhandengekommen wäre. Auf dem Weg dorthin zahlen wir unseren Tribut an die Geländeschwellen vor und nach jedem Kreisverkehr, die sehr wirksam die Geschwindigkeit mindern. Während es den Bootszubringerbus die Stoßdämpfer gekostet hat, bricht durch die Vibration bei uns die Plastikhalterung für das Navigationshandy. Glücklicherweise kann ich mir einen Weg gut merken, den ich einmal gefahren bin oder habe mir den Stadtplan eingeprägt. Kurt ist des Öfteren überrascht, weil er bis zuletzt zweifelt, ob mein Gefühl uns wirklich richtig führt, aber „ich hab das Navigen im Urin“, sage ich.
Ferragudo ist schnell erreicht, wir müssen ein Stück am Leuchtturm vorbei und schon landen wir auf dem Parkplatz des Lokals. Wir essen Hühnchen mit Piripiri, ja, hmm, jetzt kenne ich auch das. Wienerwald auf Portugiesisch. Aber das Sitzen auf der Veranda mit Blick auf die Brandung ist unübertrefflich. Der Ober will nicht glauben, dass das alkoholfreie Bier für Kurt und das con alcohol für mich. Satt legen wir uns noch zwei Stunden auf den Strand und relaxen. Können wir es fassen, dass wir hier nichts tun und zu nichts kommen, was erledigt werden müsste? Als die Temperatur um 16 Uhr zurückgeht, steigen wir wieder aufs Motorrad.

Ein Byker aus Ahrweiler spricht uns an und als wir dann beim Leuchtturm halten, sind es Leute aus Königswinter. Kurt ist es peinlich, dass ich mit dem Geologenhammer im Rucksack an den Pfad gehe, aber wer sollte sich daran stören, dass ich einen Brocken Muschelkalk herauslöse, den ich ohne Hilfsmittel beim letzten Mal nicht rausbekam? Eine Irre, die im Boden hackt, denken die höchstens. Superschnell habe ich die Erde drumherum gelockert. Die Heimfahrt stellt zwar navigationstechnisch keine Herausforderung dar, aber die Sonne steht sehr tief und blendet in der Helmscheibe. Kurt musste teilweise mit einer Hand die Augen beschatten und das in den Kreisverkehren! Wir haben schon gefühlte 10000 davon auf der iberischen Halbinsel hinter uns gebracht. In Ortschaften kann man kaum beschleunigen, weil schon der nächste in Sichtweite ist und sich durch Schwellen in immer kürzeren Abständen ankündigt. Die Bandscheiben lassen grüßen. Fahren heißt Konzentration. Schaust du in der Gegend rum, verpasst du unter Umständen das Abbremsen und schon hebt man ab. Die langsame Fahrweise ist mir ganz recht und im Kreis mach ich vor Schiss die Augen zu, sonst würde ich mich gegenlehnen. In der berühmten halben Stunde nach dem Sonnenuntergang sind wir zurück. Ab übermorgen soll es schlechtes Wetter geben, schlecht heißt hier aber nur bei gleichbleibender Sonne weniger Temperatur.

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