20. Costa Brava und Finale

Nun rückte die Abreise unvermeidlich näher. „Von Barcelona aus werden Touren nach Girona angeboten“, wussten wir. „Also muss das ja sehenswert sein“, dachten wir. Auf dem dortigen Stellplatz verbringen viele ihre letzte spanische Nacht, auch wir 2023, als wir fast allein dort standen. Jetzt war der Platz fast voll. Am nächsten Morgen leerte er sich. Wir holten die Fahrräder raus, um die wir vor einem Jahr andere beneidet hatten. Laut Prospekt lockten uns vorrangig das arabische Bad und die Stadtmauer.

    

Ich hatte das Navi in der Jackentasche und hörte es nur schwach murmeln, deshalb war die Anfahrt problematisch. Die Altstadt war zwar wieder gesperrt für Fahrräder, aber da erst wenige Fußgänger unterwegs waren, wagten wir den kurzen Anstieg bis zum Stadttor. Dahinter tummelten sich die Touristen in Mengen. Kurz vorher zum sogenannten arabischen Bad (1194 erste Erwähnung des Nachbaus eines afrikanischen Bades), in dem aber nur Christen badeten, war es ein Sprung, keine Schlange und schwups! waren wir mit Rentnerrabatt drin. Ich warf danach kurz einen Blick auf die Kathedrale mit dem barocken Portal und der Renaissancefreitreppe und ins jüdische Viertel, dann rollten wir bergab ans Ufer des Flusses, wo uns ein Flohmarkt überraschte.

Über die Fußgängerbrücke mussten wir ans andere Ufer, um von dort aus auf einer anderen Brücke wieder auf die Rambla (eine Prachtstraße mit vielen Lokalen) zu kommen. Die Stadt war überlaufen, auf dem Platz summten die lauten Gespräche in sämtlichen Lokalen wie in einem überdimensionalen Bienenstock. Am Ende der Rambla gönnten wir uns eine Kaffeepause, bis das Touristenbüro öffnete. Ich holte uns einen Stadtplan, dann umkreisten wir ziemlich steil bergauf einen Teil der Stadtmauer. Am Tor nahe der Universität bestiegen wir sie und staunten über den Erhaltungszustand. Die Mauerkrone ist sehr schmal, zwei Menschen kommen gerade aneinander vorbei. Von hier oben sah man die schneebedeckten Gipfel der Pyrenäen, die Kathedrale, andere Kirchen und den Convent.

Der Rückweg zum Stellplatz war etwas kompliziert. Einmal falsch aus dem Kreisverkehr raus und schon landet man sonstwo. Plötzlich laute Musik. Da ist doch Remmidemmi! Wir nichts wie hin und eine lärmende musizierende, verkleidete Menge zog an uns vorbei. In der Gosse häuften sich bunte Papierstreifen. Als alle vorbei waren, fragte ich den offiziellen Ordner, was der Anlass dieses Events sei. „Das ist Karneval“, sagte er. „Nur dieser Ortsteil feiert heute.“

„Ist das nicht ein bisschen spät für Karneval?“ Es war schließlich schon Fastenzeit.

Er nickte grinsend. „Aber heute hat die Polizei gerade mal Zeit.“ Ein unschlagbares Argument.

In der Nacht regnete es, aber das Wasser versickerte schnell im Sand. Sonntag früh um 1 Uhr leerte die Müllabfuhr die Tonnen am Gehweg.

      

      

Es war die richtige Entscheidung einen Ruhetag einzulegen, denn der Platz füllte sich sogar entlang der Straße mit PKWs. Die Spanier selbst sind am Wochenende unterwegs. Wir wollten noch einen Tag nutzen, um doch die Kathedrale zu besuchen, denn tags zuvor wusste ich noch nicht, dass sie das größte stützenlose gotische Kirchenschiff Europas besitzt. Im Innern war die Kirche recht dunkel, viele alte Fenster erhalten. Wie ein Klotz stand mitten im Raum frei eine Orgel, denn eine Empore gibt es nicht. Auf ihr übte der Organist , was die weihevolle Atmosphäre unterstützte. Erst nachdem sich die Augen ans Dämmerlicht gewöhnten, erkannten wir die Dimension diese Raumes. Gigantisch. Einer der Seitenaltäre war derzeit unter den Händen eines Restaurators. Im Chor stehen der Bischofsstuhl und ein reich verzierter Altar, eine schwarze Madonna fiel mir auf (wie in Montserrat) und verschiedene gotische Sarkophage.

   

Der Boden des anschließenden Kreuzgangs war mit alten Grabplatten gepflastert. Vom karolingischen Bau ist ein Turm erhalten und bei der Restaurierung hat man ein altes Fenster wiederentdeckt. Die Kathedrale steht auf dem Platz des römischen Tempels und das Stadttor zeigt auch noch römische Grundmauern. Drei Modelle der Kirchenentwicklung zeigten den Ausbau im Laufe der Jahrhunderte sehr anschaulich.

Die letzte Besichtigung dieser Reise führte uns nach Emporion (Empuries), eine griechische (phönizische) Kolonie des 6. Jh. v. Chr. Obwohl die Stadt von den Römern erweitert wurde und auch z.T. ausgegraben ist, beschränkten wir uns beim Rundgang auf den älteren Teil. Der große Parkplatz nahe einem Lidl war ideal, zwar nicht als Stellplatz geplant, aber für unseren Zweck ausreichend. Vermutlich wird das Übernachten im Sommer nicht geduldet, aber jetzt standen wir hier mit etwa 15 französischen Womos abseits von den PKWs an einem kleinen Bach, in dessen Schilf eine Entenfamilie brütete. Per Fahrrad ist man im Nu sowohl bei der Ausgrabung, als auch später in der Altstadt Escala, wo ich für Kurt noch einen Vorrat seiner Schmerzsalbe kaufte, während er ein Mittagsschläfchen einlegte.

       

Die Buchten, in denen Schüler auf Schulausflug herumtobten, sind sehr verlockend zum Schnorcheln. Angeblich soll hier für Schnorchler extra ein Schiffswrack versenkt worden sein.

Im 6. Jahrhundert v. Chr. gründeten die Griechen die Handelsniederlassung Emporion, die später der Region Empordà ihren Namen geben sollte. Sie war ein Umschlagplatz für Importprodukte wie Metall- und Tonwaren, die hier gegen landwirtschaftliche Produkte und Erze aus dem Binnenland getauscht wurden. Neben dem Handel mit der einheimischen Bevölkerung, wie zum Beispiel den Iberern im nahegelegenen Ullastret, war Emporion damals auch ein Knotenpunkt für den Handel mit den Balearen und den weiter südlich gelegenen Regionen der Iberischen Halbinsel. Uns fielen vor allem die vielen Zisternen auf, sauber gemauert und in allen Größen. Mehrere Tempelgrundmauern, ein tönernes Filtersystem, ein Stadttor, das Forum und eine Fabrik für Fischsauce. Eine Badeanlage war später durch eine Kirche mit Sarkophagen überbaut worden. Der alte Hafen ist verlandet. Um 500 v. Chr. wurde die Siedlung aufs Festland verlegt und es entstand die Neapolis („Neustadt“), in welcher der Handel weiter florierte. Zum Ende des 3. Jahrhunderts v. Chr. erkannten die Römer die strategische Position Emporions im Kampf gegen Karthago. Emporion wurde Ausgangspunkt der römischen Eroberung der Iberischen Halbinsel. Unter Julius Caesar wurde die nun Emporiae genannte Stadt weiter vergrößert. Oberhalb der griechischen Siedlung entstand ab 49 v. Chr eine neue, römische Planstadt, die etwa zehnmal so groß war wie ihre Vorgängerin.

   

Herrlich ausgeschlafen starteten wir endgültig am 6. März bei bester Sonne. Von Perpignan bis Beziers nahmen wir die Landstraße und kamen am Fort Salses vorbei. Es wurde Ende des 15. Jahrhunderts im Norden des damaligen Fürstentums Katalonien an der Grenze zu Frankreich erbaut. Leider war die Bahnunterführung davor für unsere Höhe nicht passierbar.

Viel Nerven kostete uns abends die Anfahrt für den ausgesuchten Stellplatz in Mèze. An der richtigen Ausfahrt waren wir versehentlich vorbei, aber vom nächsten Dorf sollte es noch einen Abzweig geben. Innerorts war aber die Straße aufgerissen, so dass uns das Navi durch immer blödere Gassen scheuchen wollte. Also denselben Weg zurück. Nun fanden wir den Platz am Ortsrand, der aber voll war. Zum Glück lag er im Bauerwartungsland und hatte einen genügend breiten und langen Seitenstreifen, auf dem wir eine sehr dunkle und ruhige Nacht verbrachten.

Ähnliche Schwierigkeiten brachten mich am nächsten Tag zur Verzweiflung, bis wir merkten, dass das Navi noch auf „Mautstraßen vermeiden“ eingestellt war. Eigentlich wäre die Fahrt bis zur nächsten Autobahnauffahrt simpel gewesen. Selbst Kurt fand nicht den Befehl zum Auszuschalten. Die Folge war, dass ich erst auf einen asphaltierten Feldweg geleitet wurde, das kam mir gleich komisch vor. Da die Brücke für über 3,5t gesperrt war, blieb nur die Möglichkeit. in der Hoffnung auf eine Wendechance, ins nächste Dorf abzubiegen. Dessen Zentrum war von Baggern blockiert. Mit Schweiß und stehenden Haaren pfriemelte ich mich in Zeitlupe um die Ecken, bis ich uns denselben Weg hinausrettete, den ich gekommen war. Einer entgegenkommenden PKWfahrerin stand der Mund offen.

Überall an der Strecke blüht der Weißdorn, Kirschplantagen leuchten rosa, Burgen winken von weitem, aber nun zieht es weiter, nur mit einem Kaffeeaufenthalt. An diesem Tag erreichten wir Valence. Der Stellplatz dort war für unsere Länge unbrauchbar, weshalb wir auf einem Supermarktparkplatz unbehelligt übernachteten.

Am 8. März 2024 erreichten wir mit letztem Tageslicht den schon mehrfach heimgesuchten Platz in Dole und am folgenden Nachmittag hatte uns Deutschland wieder. Die Reise endete am 17. März 2024 nach 7639 km.

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