18. Cordoba

Die Firma Carglass hat auch in Spanien Niederlassungen. Das Büro Barcelona half uns weiter und vermittelte uns eine Werkstatt in Velez-Malaga, nachdem sie alle Daten unseres Autos aufgenommen hatten. Der Termin lag drei Tage später als unsere ursprünglich geplante Abreise. Es war kein Problem, für einen etwas höheren Tagespreis den Aufenthalt zu verlängern. Die Zeit kam Kurts Schmerzen zugute, da Jesus sich immer rührender um ihn kümmerte. Jetzt hatte sich Kurt im Schlaf auch noch die Achillessehne angeschlagen. Wir verpassten nichts, denn vierundzwanzig Stunden regnete es durch, im Rio Velez stand tatsächlich mal Wasser.

Zum festgesetzten Freitag rollten wir an der Werkstatt an und trauten unseren Augen nicht: eine schmale Parallelstraße zur Hauptstraße, wenig breiter als unser Auto, links ein Bordstein zum Fahrradweg, rechts Bordstein zur Werkstatt, eine schmale Durchfahrt rechtwinklig zwischen zwei Pfosten durch und das Tor zur Werkstatt zu niedrig. Dem Werkstattleiter standen die Haare zu Berge. Sehr hilfsbereit kümmerte er sich zusammen mit dem Büro Barcelona um einen neuen Termin in Malaga. Mittwoch also. Doch irgendwann war der tränenreiche Abschied von Almayate unvermeidlich, wo wir doch nun einige Camper etwas näher kannten. Wir beschlossen, schon Dienstag in Malaga anzureisen und vor Ort zu nächtigen, da wir im Internet einen großen Parkplatz praktisch gegenüber von Carglass gesehen hatten.

   

   

 „Fahren Sie doch auf den Stellplatz am Meer. Ist nur 10 Minuten von hier“, schlug der Empfang vor. Kein schlechter Tipp. Der Platz war riesig, nicht besonders schön, da viel Müll rumlag, aber Blick auf die Stadt Malaga ganz von Westen, teilweise Palmen, teils geteert, direkt am Strand und europäisches Publikum. Die jüngeren Wohnmobilisten waren Spanier, die Senioren aus dem Rest Europas, viele mit Hunden. Die Nacht war lau und ruhig. Für unsere Transitansprüche reichte es. Nach erfolgreicher Fenstermontage begaben wir uns auf die Autobahn nach Cordoba und erreichten es – unterbrochen von einem einstündigen Stau – am späten Nachmittag.

Der Stellplatz am Stadion sollte kostenlos sein, aber schon beim Einbiegen sahen wir Parkplatzwächter herumwuseln. Kaum eingeparkt, signalisierte uns eine Engländerin vom benachbarten Womo, dass wir nichts bezahlen sollten. Das ist eine Form des Bettelns, aber bewacht wird das Fahrzeug keineswegs. So ganz geheuer war es uns nicht. Könnte man da das Gespann gefahrlos alleine lassen? Inzwischen hatte sich die Fahrzeuganzeige gemeldet, es sei ein Ölwechsel fällig. Im angrenzenden Industriegebiet fanden wir keine Werkstatt. Die im Internet angezeigte Citroenwerkstatt existierte nicht. Ein Spanier war uns mit GPS vorausgefahren undhatte gelotst, wusste aber auch nicht weiter. Also gaben wir auf und fuhren den Stellplatz neben der Altstadt an. Hier ging zwar eine Schranke auf und man sollte beim Rausfahren mit Karte zahlen, es gab eine Entsorgungsstation aber keinerlei Bewachung außer einigen Müllmännern. Vom angrenzenden Weg kann jeder über den Platz laufen, da die Pfosten nicht durch einen Zaun verbunden waren. Dementsprechend klopfte es einmal und jemand zog bettelnd von Womo zu Womo. In der Not frisst der Teufel Fliegen.  Die zweite Nacht war sehr laut. Am Wochenende muss im Park hangauf irgendwas los gewesen sein, denn ab 24 Uhr bis um 4 Uhr früh versammelten sich andauernd Grüppchen von weggehenden Leuten laut palavernd und genau unter der nächsten Laterne posierend für Selfies. Verschwand hier unsere Bewegungsmeldelampe an der Außentür? Während der Anfahrt gab einen Rumms. Da hatte sich doch zwischen parkenden Autos und uns rechts ein Motorrad vorbeigequetscht. Ergebnis: Ein Kratzer am Aufbau.

Heute war Aprilwetter: Gewitter, Sonne, Schauer, Sonne, Regenbogen, Schauer etc. In einer dieser Lücken sprang ich kurz auf den Cemeterio Nostra Senora de la Salud daneben, auf dem die Hautevolée seit etwa 1860 mehr oder weniger unter Granit liegt. Am hinteren Ende stand ein Zelt mit vielen angepinnten schwarzweißen Fotos von Männern, die alle 1936 gestorben waren. Spanien war doch nicht beteiligt am Zweiten Weltkrieg und das war sowieso zu früh. Was war da los gewesen?

       

Ich wurde fündig: Das waren Opfer der sog. Córdoba-Offensive vom 18. Juli, als der Militärgouverneur von Cordoba putschte und die Zivilregierung bombardierte. Danach wurden 2.000 Menschen hingerichtet.  Die republikanische Armee wollte Córdoba zurückerobern, aber der Angriff scheiterte. Jede Seite vernichtete die vermeintlichen Gegner, selbst Priester. 10.000 Einwohner starben, in der Hauptstadt barbarisch verbrannt, im Krieg und in der Nachkriegszeit, in Gefängnissen, als Vertriebene, im Hunger, im französischen und afrikanischen Exil. Nun ist ein Denkmal in Vorbereitung.

  

   

   

Um den Audioguide voll auszukosten, brauchten wir drei Stunden. Anschließend wollten wir im Judenviertel mal Tapas probieren und ausruhen, aber es gab nur Bier. Die Küche hatte um 15 Uhr schon oder noch geschlossen. Die Spanier mit ihren Essenszeiten haben uns ganz schön genervt. Von 14-16 Uhr haben die meisten Läden geschlossen, eventuell auch bis 17 Uhr, um dann bis 19 Uhr wieder zu öffnen, Restaurants u.U. auch erst später. In einem Imbiss ergatterten wir wenigstens Emballadas (mit Schinken und Käse gefüllte warme Teigtaschen – sättigend aber nicht umwerfend), die wir im Gehen aus der Tüte aßen.

   

Wir brauchten dringend Brot und Obst. In der Altstadt gibt es nur Touristenbedarf, erst auf dem Weg durchs vorgelagerte Neubauviertel wurde ich fündig. Wir beschlossen, wegen des Lärms in der Nacht einen anderen Stellplatz zu suchen. Bei der Abfahrt am nächsten Morgen berechnete der Automat zwei Stellplätze wegen unseres Anhängers, es war die teuerste Übernachtung der ganzen Reise. Da sich die anderen Plätze als Nieten herausstellten,  riskierten wir die Nächte doch wieder am Stadion. Wir holten die Fahrräder heraus und wollten damit die Altstadt erkunden, merkten aber bald, dass das schwieriger war als gedacht. Die Altstadt ist nur für Taxen und Kutschen offen, die Gassen so eng, dass Bordsteine als Wandabweiser zu betrachten sind. Kommt eine Kutsche, passt kaum ein Fußgänger dazwischen. An allen Zugängen sind Fahrradständer in Massen zum Dranketten.

   

Dann zog es uns zur romanischen Brücke, wir inspizierten die maurische Mühle im Guadalquivir.

       

Heute war Sonntag, die Stadt übervoll, die romanische Brücke überlaufen, Jugendliche sangen spontan zur Gitarre eines Straßenmusikanten, die Lokale quollen über von Menschen. Am Triumphbogen sang und trötete eine Gruppe irgendetwas Lustiges. Die Zuhörer lachten. Der Text hatte wohl etwas mit Putzen zu tun, denn zur Verkleidung gehörten Lappen, Besen bzw. Feudel. Die Uferpromenade fuhr sich gut, aber an allen Abzweigen war die Durchfahrt gesperrt, bis wir an eine Umgehungsroute kamen. Damit pfriemelten wir uns durch einige Gassen zurück bis zum Rathaus. Direkt daneben sind die Reste eines römischen Tempels ausgegraben. Im Gassengewirr stößt man immer wieder auf prächtige Häuser, Kirchen, schmiedeeiserne Erker und kleine Plätze.

         

 

Geplant war für den Montag eine Rundfahrt mit dem Hop-on-hop-off Bus. Am Torre de la Calahorra stiegen wir ein, hopsten an der Iglesia San Andres raus, saßen unter Palmen an einem kleinen Platz. An der nächsten Etappe war der Palast de Viana mit seinen zahlreichen Gärten und Höfen als Beispiel gehobener Lebensart. Uns gelüstete nach Kaffee und Kuchen, aber nur ersteres war zu kriegen. Zum nächsten Busstop stiefelten wir am Torre de la Mamerta vorbei und enterten den Bus am Convento Diputación. Leider waren wir am nächsten Ausstieg schneller vorbei als wir reagieren konnten. Es blieb nicht anderes übrig, als an der Endstation auszusteigen. Glücklicherweise war dort ein Café mit Kuchen. „Hier könnten wir morgen nach der letzten Besichtigung unseren Cordobaaufenthalt krönen. Was meinst du?“ Kurt nickte. Die zwei Haltepunkte, die wir mit dem Bus verpasst hatten, wollten wir am nächsten Tag per Fahrrad aufsuchen. Das klappte auch.

Kurt vor der Mittagspause schafften wir die Kirche San Lorenzo, an der die westgotischen Teile noch gut erkennbar waren. Vor den Seitenaltären lagerte man hier die Gestelle, die zu Ostern herumgetragen werden. Dadurch wirkt die Kirche wie eine Abstellkammer. Die Apsis war bemalt, die Holzdecke erhalten. Für das Minarett reichte die Zeit nicht, denn die Küsterin klapperte schon mit den Schlüsseln. Heiligenfiguren werden häufig mit Stoffgewändern ausgestattet. In der Gasse, durch die wir gestern gefahren waren, fanden wir einen kleinen Platz mit einem Lokal, in dem wir draußen ein Bier und Croquetas de Rabo, die spanische Variante der holländischen Bitterballen probierten. Die kann man weiterempfehlen. Auch die verpasste Kirche San Francesco stellte sich als stimmungsvoll heraus, besonders der Kreuzgang. Gegenüber dem Durchgang zur Kirche war wieder ein Zugang zur Altstadt. Und bei der Bustour war uns empfohlen worden, bei einem Bummel unbedingt in die Innenhöfe der Stadthäuser hineinzuschauen. Das wollten wir uns nicht entgehen lassen. Wir hätten Hemmungen gehabt, einfach in die Häuser zu gehen, und zu fotografieren, aber wenn dazu eingeladen wird… Kurt war erschöpft und ruhte sich vor dem Archäologischen Museum aus, ließ mich aber eine kleine Fotorunde drehen, die sich lohnte.

Doch als wir am Torre de la Calahorra ankamen, war das Restaurant geschlossen, alle anderen Lokale stellten gerade die Tische zusammen und klappten die Bürgersteige hoch. 17 Uhr kein Essen in Sicht. So tigerten wir verärgert über die Brücke und packten zusammen. Jesus hatte uns eine Adresse für den Ölwechsel geschrieben. Das war unser Ziel anderntags. Da Kurts Darm ist in Streik getreten war und weder Pflaume, noch Pulver und Obst und Gemüse schon gar nicht halfen, haben wir beschlossen, die Heimreise flott anzutreten. Seine Hausärztin wird morgen angerufen. Welche Strecke nehmen wir am besten? Osten über Granada und Murcia, oder Nordosten direkt nach Valencia?

Der Ölwechsel ging tatsächlich gut von statten. Die von Jesus empfohlene Werkstatt vermittelte uns weiter an die Nachbarwerkstatt. Die hatte allerdings kein Gerät, um die Werksmahnung von Citroen zurückzusetzen, weswegen wir dann bis 17 Uhr vertröstet wurden. Dann konnte ein Mechaniker woanders hinfahren, um das noch zu bewerkstelligen. Deshalb kamen wir erst  gegen Abend los. Die Schnellstraße Richtung Granada fuhr sich erstklassig, wenig Betrieb. Als es in der Nähe von Alcaudete dämmerte, entdeckten wir passend ein Restaurant an der Strecke mit großem Parkplatz. Das Essen war ein Reinfall. Der Wirt war zwar sehr freundlich, versprach auf Englisch uns zuzubereiten, was wir wünschten. Wäre nur das Huhn noch greifbar gewesen! Ich verwechselte Beefsteak mit Bifteki und hatte auf Frikadelle gehofft. Was kam, war ein Steak vom Grill, genauso zäh und unkaubar wie das zu Weihnachten und zudem sündhaft teuer. Wir ließen uns das meiste einpacken und froren es ein. Dünn geschnitten taugt es vielleicht mal als Zusatz zum Gemüseeintopf. Eine Übernachtung auf dem Platz war jedoch ganz unproblematisch. Selten so ruhig und dunkel gestanden.

    

   

Die Landstraße über Jaen und Úbeda war landschaftlich sehr schön, zuerst Olivenplantagen über sanftere Hügel, wohin das Auge schaute, später bei Balazote Felsen entlang eines Naturschutz- und Wandergebiets Parque Natural de Los Calares de Mundo y de la Sima, in dem die Mandelbäume blüten und graustämmige Bäume in Massen gesetzt wurden. Der Blick auf Alcaraz und das Castillo de Acueducto und den roten Hügel davor verlockte zum Anhalten. Kurz vor Albacete ist das Land tischebene Steppe, die Felder müssen bewässert werden, sehr öde. Der Stellplatz im Neubaugebiet von Albacete nahe dem Flugplatz bot gerade noch Platz für uns. Die Entsorgung war gesichert, sonst aber nichts. Den Anhänger durfte man nicht abhängen. Ich raste zur Apotheke, um zu besorgen, was die Hausärztin empfohlen hatte. Das half dann auf der weiteren Strecke.

Jetzt waren wir aber schon so weit noch Norden gekommen, Andalusien lag hinter uns. Aber Spanien bietet ja noch mehr. An diesem Donnerstag war es sehr windig bei 25 °C, Büsche wehten über die Fahrbahn, eine alte Windmühle stand leider im Gegenlicht. Hinter Valencia waren es noch 18°C. Auf einem Picknickareal rasteten wir zur Kaffeepause und wählten einen Stellplatz hinter Tarragona. Die Gegend zeigte viel Pinienwald und ein kurviges Sträßchen führte uns nach El Catllar. Hinter einer kleinen Furt, die sogar Wasser führte, parkten schon ca. acht Womos , aber an einer hohen Mauer war ausreichend Platz für uns. Was gibt es Sehenswertes, wo wir schon mal da sind? Die Burg, Kirche und einen seltsamen Turm L’Agulla aus dem 14. Jh. unweit, den ich vor der Abfahrt noch umkreiste.

   

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