17. Almayate – Finale

Mitten in Rincón de la Victoria liegt die Casa Fuerte de Bezmiliana, welche ca. 1766 von Karl III. erbaut wurde, als Ergänzung zu den bereits seit dem 16. Jahrhundert bestehenden militärischen Verteidigungsanlagen der Wachttürme El Cantal und Benagalbón. Sie sollten Piratenangriffe über See und Land verhindern. Die erhaltenen Türme, die mich magnetisch anzogen, stammen aus verschiedenen Zeiten. Offenbar musste die Verteidigung mehrfach nachgebessert werden.

Der Grundriss der Befestigung ist quadratisch, die Außenmauer aus Ziegelmauerwerk ohne jegliche Verzierung. Die Anlage besitzt zwei Stockwerke und eine Mauer mit zwei Mauertürmchen, ein zentrales Gebäude und einen typischen überdachten Brunnen, der sich außerhalb der Festung befindet. Über dem Haupttor fand ich das Wappen Karls III. Innerhalb der Festungsanlage soll es mehrere Säle geben, zwei, die sich denselben Kamin teilen und einen Reitstall mit 14 Futterstellen und einem gepflasterten Boden. Leider ist im Winter die Anlage geschlossen, so dass wir uns an den Strand verkrümelten. Der war wie gesät mit großen Muscheln überhäuft, die es in Almayate nicht gibt, warum auch immer.

Die Phönizier richteten an diesem Küstenstreifen im 5. Jahrhundert v. Chr. Kolonien ein. Römische Spuren beschrieb der Geograph Rufo Festo Avieno im 4. Jahrhundert. In Torre de Benagalbón wurde eine Villa ausgegraben, auf dem Hügel El Castillón errichteten die Römer eine Festung, um das Dorf Bezmiliana zu beschützen. Über die Jahrhunderte hinweg wurde sie dann auch von den Muslimen benutzt und der Ort erlebte unter ihrer Herrschaft eine Glanzzeit, die auf den Ackerbau, die Thunfischerei und den Handel zurückzuführen war, bis die Katholischen Könige die Herrschaft über dieses Gebiet erlangten. Die Flucht der maurischen Einwohner, ihre endgültige Vertreibung im Jahre 1570 und die Furcht vor den häufigen Angriffen der Berberpiraten bewirkten die fast vollständige Entvölkerung und Verwahrlosung dieses Küstenstreifens während des 16. Jahrhunderts.

Die wenigen Einwohner, die zurückblieben, schlossen sich zusammen und bildeten das Landgut Benagalbón. Die Straße, die Malaga und Velez verbindet und die wir nun schon so oft benutzt hatten, wurde zu Zeiten des Königs Carlos III. gebaut, als Gibraltar in die Hände der Engländer fiel. Wie alt die Windmühle ist, war nicht herauszukriegen.

Die Cueva del Tesoro und der Cueva de la Victoria hätten uns schon sehr verlockt, da dort außer Tropfsteinen einfache Malereien und archäologische Reste aus dem Paläolithikum gefunden wurden. Leider ist der Archäologische Park drumherum unfertig, ohne Erläuterungen oder auch nur einen Lageplan und die Höhlen schwer zugänglich: Selbst mit festen Schuhen darf man nicht über 70 Jahre alt sein, keine Klaustrophobie haben, muss schwindelfrei und fit sein, um die steilen Leitern zu bewältigen (lt. Internet gibt es einen Aufzug, aber der scheint noch in der Planung zu stecken.) Unter diesen Voraussetzungen kommen jeweils 30 Leute an einigen Tagen pro Monat rein. Die altsteinzeitlichen Malereien dürfen jedoch keinesfalls fotografiert werden. Deshalb verschmerzte ich die Entscheidung, auf die komplizierte Organisation zu verzichten. Die Nachbildung eines Tropfsteinblocks mit Malereien im Park war ziemlich schäbig. Aber schöne Jugendstilbänke aus Gusseisen zierten die verschlungenen Wege. Ein aufwändig konstruierter Holzparcours führte ins Nirgendwo.

  

Die Altstadt von Velez-Malaga, die wir 2022 von der Burg aus gesehen hatten, entpuppte sich beim Bummeln als reines Wohnquartier, gepflegt und verschachtelt wie eine arabische Siedlung nur nicht so fensterlos nach außen, sondern überall mit Balkonen und Terrassen. Jetzt war es wie ausgestorben, aber wir stellten uns vor, wie im Sommer die Unterhaltungen der Familien über die Gassen schallen.

     

Am Strand in Benajarafe starten die Drachenflieger, die aber 150 Euro für 20 Minuten nehmen. Ziemlich teuer.

Abwechselnd zu echten Gammeltagen unternahmen wir Fahrradtouren ins Hinterland: z.B. direkt hinter dem Campingplatz den Berg hoch oder ins Valle Niza (10 km). Das geht selbst mit Akku sehr mühsam. Die Wege kurven ohne Rücksicht auf die Hangneigung im rechten Winkel zur Höhenlinie die steilsten Hügel hoch, und hinunter hat man Angst, dass man sich beim Bremsen über den Lenker überschlagen könnte. Überraschend öffnete sich fast eine Drohnensicht auf die Archäologische Zone, durch die ich mich letztes Jahr gepirscht hatte.

   

Sichtbar sind von San Pitar Reste einer in den Fels gehauenen Kirche, von Häusern, eine Verteidigungsmauer gegen Angriffe vom Meer aus; eine Zisterne. Der Ort wurde ab 1727 als Steinbruch ausgebeutet, um die Kathedrale und das nahegelegene Castillo del Marqués zu bauen. Es handelt sich um  sog. Lehmstein aus alten fossilen Stränden (komprimierter Sand), für den Steinmetz zwar leicht zu verarbeiten. aber nur in trockenem Klima einigermaßen haltbar. Den Kölner Dom hätte man damit nie bauen können. Bis 1877 wurden auf den Rampen Muskatellerrosinen für den Export getrocknet.

18 km am ausgetrockneten Rio Velez entlang ließen sich dagegen ganz entspannt ohne viele Steigung fahren.

Nachbarn vermitteln uns Kontakt zu dem ebenfalls hier Urlaub machenden Physiotherapeuten Jesus Märtin (Jg.1971). Kurt bekommt mehrere Massagen, die ihm sehr gut tun. Die Verständigung klappt nur über Google-Translator. Über die teilweise haarsträubenden Übersetzungen der „KI“ lachten wir uns zusammen kaputt,  Völkerverständigung light. Und was stellt sich heraus? Jesus ist von Drohnen fasziniert und hat sich – ohne jede Erfahrung- das neueste Modell gekauft. Da ist Kurt in seinem Element. Gemeinsam flogen sie das Ding ein. Seit 1. Januar gelten sehr strenge Gesetze. Jesus erkundigt sich jetzt jeden Morgen, wie es Kurt geht, korrigiert seine Gehweise, gibt Gymnastiktipps und hat eine wirksame Creme gegen Schmerzen empfohlen. Wir bezeichnen ihn als Kurts Personal Trainer. Als Kurt eines Morgens auch noch die Achillessehne quält, kommt Jesus sofort mit anderer Creme, massiert bis zur Schmerzgrenze und verordnet Ruhe. Ein andermal zweigt er vom Einkauf eine Handvoll köstliche Schinkenschnitzel ab, damit wir probieren können. Da die Drohne mindestens 150 m von Personen entfernt geflogen werden darf, schlug ich den archäologischen Park in Valle Niza vor. Der ist geschlossen und eine Sackgasse, also ideal ohne Leute. Jesus sah auf seinen Karten, dass die Ecke knapp außerhalb der Flugverbotszone von Velez-Malaga liegt. Er war von den Socken, was ich über das Gelände recherchiert hatte und stimmte sofort zu, mit seinem Probeflug unsere Prospektion zu ergänzen.

   

Auf dem Feldweg radelten wir nach Torre del Mar und dort auf einem bestens ausgebauten Fahrradweg immer am Strand entlang bis Caleta de Velez (Yachthafen). Wir stiegen auf Bänke, um über die Mauern in traumhafte Grundstücke mit prächtigen Pflanzen zu gucken. Da kann man es sich wohl sein lassen! Wir erkundigten uns im Hafen mal nach Liegeplätzen bzw. deren Preis, aber es gibt eine lange Warteliste. Kein Wunder!

     

         

„Hey, schau mal, da gibt es ein Blueskonzert. “ Ich zeigte auf das Plakat. „Lass uns hinfahren am Samstag!“ Während wir bequem im Schatten sitzend zuhörten, amüsierten wir uns zugleich an einem Senior, der – wie zu Weihnachten im Boraz – auch hier in sich versunken in Zeitlupe vor sich hin tanzte. War das Meditation, ein Profitänzer in Reha oder Yoga?

   

Nach mehreren, etwas kühlen Tagen klappte es am 2. Februar mit einer Motorrollertour nach Arenas zur Mandelblüte (13 km). Nachbar Bruno mit dem gleichen Motorroller begleitete uns.

     

Der Ort wurde in der maurischen Zeit gegründet.. 1487 wurde von hier aus die Eroberung der Stadt Vélez-Málaga vorbereitet. Die Reste der Burg sieht man auf dem steilen Nachbarberg.

   

   

Nach ihrer Niederlage wurde die maurische Bevölkerung  fast vollständig vertrieben. Arenas wurde daraufhin mit Familien aus anderen Teilen der Halbinsel neu besiedelt, hauptsächlich aus der Provinz Jaen.

Für denselben Abend hatten wir Tickets für Flamenco Abierto – Peña Flamenca Niño de Vélez (21:30 Uhr-23:30). Die Axarquía von Málaga hat für den Flamenco eine große Bedeutung. „Open Flamenco“ möchte die Kultur weiter stärken. Da es abends noch empfindlich kalt wird, entschieden wir, mit dem Bus, der direkt in unserer Nähe stoppt, nach Velez-Malaga zu fahren (ohne Umsteigen). Das klappte ganz hervorragend. Die Zeit reichte noch für ein Kebab im Restaurant in der Nähe und einen kurzen Spaziergang durch die Fußgängerzone in Velez. Wir waren begeistert über die leidenschaftliche Darbietung sowohl der inbrünstigen Jammergesänge, des rhythmischen Klatschens und Anfeuerns, des Gitarrenspiels, wie auch des Tanzes, aber die Sitze waren die reinste Marter für den Rücken  (gedrechselte Stühle mit gerader Lehne und Flechtsitz). Ca. 80 Zuschauer, hauptsächlich Engländer, saßen in dem Kellerraum um eine ca. 9 qm große Holzplatte, die das Klackern der Schuhe verstärkte. Das Auditorium war begeistert von Tatiana Cuevass und verlangte eine Zugabe, bei der dann alle Künstler, inklusive dem anfeuernden Mann und zwei weiteren Mitarbeitern, sangen und improvisiert tanzten. Schade, dass man die Liedtexte nicht verstand.

     

Die coplas (Gesangsstrophen) unterschiedlicher Art drücken im Allgemeinen Liebe, Leben und Tod aus. Die Flamencosänger folgen keinem strengen metrischen Muster. Deshalb gelang es mir auch nicht, das Klatschen zu imitieren, da sich der Rhythmus anscheinend ständig verschiebt, was sich irre anhört. Die Stimme der Sängerin hatte ein wahnsinniges Volumen, bestimmt extra dafür ausgebildet. Die später singende Choreographin oder Managerin schaffte zwar auch das Vibrato, war aber kein Vergleich in der Lautstärke. Der ältere Mann feuerte anscheinend an bzw. gab Schnalzlaute mit den Fingern oder klatschte.

Ganz anstandslos hielt fünf Minuten nach Ende an dem zunächst leeren Taxistand ein Taxi, das uns für 15 Euro zu Hause absetzte.

Auf dem Strand ist es ungemütlich geworden, denn die Gemeinde hat den Sand auf ganzer Länge grob gepflügt, angeblich um Wohnmobile vom wilden Herumstehen abzuhalten. (Dabei wäre der Strand in unserem Abschnitt gar nicht zugänglich für Autos).  Wir sonnen uns jetzt lieber vor dem Womo.

Dann kam aber das dicke Ende. Ein kleiner Steinschlag auf der Frontscheibe hat sich drei Tage vor Abfahrt, als wir zu einer gründlichen Autowaschung unterwegs waren, zu einem veritablen Riss vergrößert. Was jetzt?

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