15. Almayate 2023

Neben uns stehen Engländer, etwas älter als wir: Keith und Marilyn haben länger in der Gegend gelebt. Er verschönerte gerade defekte Stellen am Wohnwagen und war gleich sehr zugänglich. Er hat sich in Spanien die Hüfte operieren lassen, weil man als Kassenpatient in England zwei Jahre auf eine OP warten muss. Zwei Leute vom letzten Jahr sind auch wieder da. Einem ist vor zwei Wochen die Frau gestorben. Er muss über Weihnachten mit der Urne zurückfliegen. Leider hat unser kleines Strandlokal geschlossen, weil der Besitzer gestorben ist, und auch der Bäcker kommt nicht mehr. Aber endlich wird es warm um uns. Wir hängten unsere Weihnachtsbeleuchtung auf, Stühlchen raus. Hach, wie schön.

   

Morgens ist es kühl, erst gegen 14 Uhr geht es an den Strand. Manchmal sind es nachts noch 19 Grad. Unser Wagen musste mal gründlich innen geputzt werden. Am 14. trieben wir uns mehrere Stunden auf dem Wochenmarkt in Torre del Mar rum und schleppten dann Rettich, Esskastanien, Mandarinen, Ingwerzucker, Datteln, zwei Kapuzenpullis für je 6 Euro und ein Nilpferd aus Holz (Senegal) ab. Auch zwei Eimer Oliven mussten nach Kostprobe mit. Trotz Ablatschen des ganzen Häuserblocks fand ich keinen Bäcker.

   

Am nächsten Tag radelten wir nach Almayate und fanden sowohl Bäcker und kleinen Supermarkt, der fast alles hat. Nachmittags legen wir uns meistens für zwei Stunden an den Strand, wo oft Drachensegler vorbeikommen. Unsere holländische Strandmuschel ist ein sehr praktischer Windschirm, denn der Wind kühlt meist.

   

Am 16. sind wir mit dem Motorrad mal in die andere Richtung auf der Küstenstraße unterwegs gewesen. In Benajarafe gab es ein weihnachtliches Strandkonzert, das wir eine Stunde genossen, danach erst einen Kaffee im El Pollo zwischen Bananenstauden. Wir überlegten, ob wir hier zu Weihnachten mal essen gehen. Was uns bedenklich stimmte, war der stinkende Abwassergraben daneben. Anschließend aß ich gebratenen Oktopus, Kurt Kingflip (Fischfilet) in einem anderen Lokal, das aber ab morgen bis Januar schließt.

Am 19. reservierten wir einen Flamencoabend in Torre del Mar (Chiringito  Boraz) für den 25. Dezember ab 16 Uhr. Ein Reparaturtermin für Kurts Fahrrad ist nötig wegen Problemen mit der Gangschaltung. Ein kleiner Motorradausflug führte zu einem Flugplatz nördlich Velez-Malaga bei klarster Sicht, vermutlich auch auf Comares. Dieses Dorf würden wir gern besichtigen, aber auf 700 m Höhe sind es nur noch 9 -12 Grad, uns zu kalt für Motorrad.

Einen Tag später nahmen wir den Bus nach Malaga, in dessen Hafen vier Kreuzfahrtschiffe am Kai lagen. Diesmal buchten wir eine Tour mit dem Sightseeingbus. Die Erläuterungen über Kopfhörer waren ähnlich knapp wie in Porto. Da rollt man an interessanten Gebäuden vorbei, ohne daß man erfährt, was es damit auf sich hat. Immerhin sahen wir dadurch die Stierkampfarena, den Leuchtturm, das Rathaus und das Castillo Gibralfaro. Statt bei der oberen Festung, das nur ein Museum beinhaltet, stiegen wir am Rand der Altstadt aus und kehrten im Café Berlin ein, denn inzwischen brauchten wir eine Pause. Heute waren es nur 16 Grad, wir waren froh über unsere Anoraks, und als wir dann die Alcazaba besichtigten, fing es an zu tröpfeln. Trotzdem war die Burg sehr sehenswert, vor allem mit deutschem Audioguide. Schon vor der Errichtung der Alcazaba existierten bereits einfache Befestigungsanlagen auf dem markanten Burgberg, der oberhalb des römischen Amphitheaters nach Osten ansteigt. Die wichtigste stammt aus dem 8. Jahrhundert. In dieser Zeit diente sie unter anderem als Gefängnis und wurde Gebel Ayros (phönizisch: „Burg der Stadt“) genannt. Die Alcazaba wurde Mitte des 11. Jahrhunderts errichtet. Im Jahr 1092 wurde sie von den Almoraviden erobert; im Jahr 1146 übernahmen sie die Almohaden. Der Geograph al-Idrisi nannte sie Mitte des 12. Jahrhunderts auch „Jbel Faruk“ („Berg des Leuchtturms“). Später kam die Burg in den Besitz der in Granada residierenden Emire des Nasridenreichs. Im Jahr 1487 eroberten die Truppen der katholischen Könige Isabella I. von Kastilien und Ferdinand II. von Aragón nach mehr als dreimonatiger Belagerung die Burg und restaurierten die maroden Teile.

       

  

Wir waren gegen 18 Uhr die letzten Besucher, die herausgescheucht wurden. In Vorfreude auf die Weihnachtsbeleuchtung hatten wir Zeit zum Abendessen in der Nähe (Lasagne, Paella Iberica) im selben Lokal wie 2022. Satt bummelten wir Richtung Hafen und bemerkten, dass nun doch das Tor zur Krippe geöffnet war.

Die große Weihnachtskrippe der Bruderschaft Mena war im Gegensatz recht lieblos und kleiner aufgebaut als letztes Jahr (z.B. Treppen brachen abrupt ab etc.). Dafür waren die großen Gestelle, die bei den Umzügen zu Ostern mitgetragen werden, besser zu sehen (4,8 t schwer, von mehreren hundert Männern 9 Std. durch die Stadt zu tragen).

Der Weihnachtsmarkt befand sich nicht direkt am Hafen, sondern in der Allee davor aufgebaut, bot aber wenig Kunsthandwerk, hässliche Plastikkrippenfiguren, Kinderspielzeug, chinesischer Tand jeglicher Art. Dort probierten wir endlich mal die Churros (frittiertes Hefegebäck). Eine Erfahrung reicher, wenn auch nicht euphorisch, strebten wir Richtung Bushaltestelle und hörten plötzlich laute Musik und Spanisch über Lautsprecher. Das erinnerte uns an die Lasershows in Ägypten.

   

Auf die Wand des Kathedralenturms wurde zuerst eine Geschichte über ein Engelchen, das einen aufmüpfigen Stern fängt, dann der Aufbau des Turmes in Drehung und Explosionen projiziert. Die Beleuchtung der Haupteinkaufstraße übertraf die des letzten Jahres. Der Bus fuhr 30 Minuten später und zielgenau passten wir unsere Bushaltestelle in Almayate ab, obwohl es da ganz dunkel ist und wir mit Handylampe den Fußweg zum Campingplatz ausleuchten mussten.

Die Campingplatzbesitzer verteilten am 22. Dezember per Schubkarre Sektflaschen an die Dauergäste. Am nächsten Tag erreichte uns ein Anruf von Carsten, der sich tatsächlich zu uns auf den Weg gemacht hat. Wir ließen mal die Drohne fliegen über Strand und Platz.

Am Weihnachtstag traf Carsten ein, die Haube seines Wagens war mit Gurten befestigt, weil ihm ein Verschluss kaputt gegangen war. Wegen des Gurts konnte er nach einer Seite die Räder nicht voll einschlagen. Abenteuerlich! Er war ziemlich erledigt von Nebel, Regen, Unterkünften und Werkstätten. Es gelang Kurt, seine Haube zu reparieren, so dass wir nun noch mehr Möglichkeiten haben rumzukommen. Dafür hatte Carsten extra seine Rücksitzbank eingebaut. Wir fanden ein Hotelzimmer für ihn in Torre del Mar nahe dem Strand (60 Euro/Nacht) und begingen das Fest mit Geflügelsalat, den sich Kurt gewünscht hatte. Zum ersten Weihnachtsfeiertagessen ins Boraz kam Carsten einfach mit. Es gab leider zu unserer Überraschung statt Flamenco (Der Wirt weiß offenbar selber nie, welche Band kommt, denn für Silvester hatte er uns auch Flamenco avisiert.) Popmusik, trotzdem gefiel es uns gut, vor allem die Stimmung und Leidenschaft der mehrheitlich 40-50 Jahre alten einheimischen Gäste, die gleichzeitig einen 50. Geburtstag feierten. Mein zähes Steak war allerdings weniger berauschend.

Carsten jubelt über das Wetter, das Licht, die Angebote, den Strand, die Sauberkeit, das Hotel, die Architektur und guten Läden. Vor dem Popkonzert machten Carsten und ich einen Spaziergang bei 23 Grad zum nächsten Wachtturm (16. Jh.). Im letzten Anwesen des Ortes war eine große Familienfeier im Gang, wie uns eine Passantin erklärte. Der zweite Weihnachtstag ist in Spanien kein Feiertag. Ich radelte Kurts Fahrrad zur Reparatur, Carsten holte mich am Laden ab, dann fuhren wir mit dem Jeep zum Campingplatz und gemeinsam spazierten wir drei nach Almayate und eruierten die Örtlichkeiten, wann und wo das Krippenspiel beginnt, das sogar im Internet als Höhepunkt der Gegend angepriesen wird, und zeigten Carsten unseren Strandabschnitt.

        

Am 27. fuhren wir mit Carstens Jeep nach Comares. Der Tag hätte kein strahlenderes Wetter zeigen können. Comares befindet sich auf 703 Meter Höhe in der Axarquía, dem östlichsten Teil der Provinz Málaga. Comares ist ein typisches weißes Dorf mit prärömischer Geschichte.           

Die maurische Epoche von Comares endete im Jahr 1487, als das Dorf, das damals aufgrund seines strategischen Standortes wichtiger Verteidigungspunkt war, an die Christen fiel. Das Städtchen thront auf einem Felssporn und bietet Rundumausblicke bis zur Küste. Neben einer Pfarrkirche, die leider geschlossen war, gibt es eine restaurierte Olivenmühle (heute ein Hotel) und ein Kastell. Oben im Friedhof kann man in eine arabische Zisterne schauen. Der Friedhof zeichnete sich durch hohe Mauern aus, in die wabenartig die Sargfächer eingearbeitet sind. Verschlossen werden sie mit Marmorplatten, auf denen außer den Namen der Verstorbenen manchmal Fotos sind, mitunter auch nur Marienfiguren. Überall prächtige Gestecke aus Kunstblumen. Der Ort ist bekannt für die Pflege der Verdiales, einer frühen Flamencoform, die mit Gitarren, Geige, Tamburin, Tänzern und Sängern zu den Fiestas zelebriert wird.

Die steilen Gassen und Winkel durchschlenderten wir und fotografierten wie die Wilden. Dann stärkten wir uns in einem Lokal am Markt. Carsten kaufte einem Kettenhund Futter im nächsten Mercado. Das Schnitzel in Malagatraubenrosinen- und Weinsauce war sehr zart. Einen Rest Fleisch, den Carsten dem nächsten Hund reichen wollte, bekam er nicht mehr los. Selbst der vorher beschenkte Kettenhund war verschwunden. Kuchen gab es keinen, so dass wir die Kaffeepause – überwältigt von all den fantastischen Eindrücken –  mit der letzten Sonne nach Torre del Mar verlegten.

An einem anderen Tag erledigten wir unseren Einkauf mit Motorrad, luden ihn zuhause ab und brachen umgehend zum Krippenspiel Belén Viviente de Almayate auf.

   

Ein Parkplatz fürs Motorrad war hinter der Schule schnell gefunden, die Tickets kosteten 5 Euro pro Person und wir saßen eine Stunde vor Beginn auf der Empore im Schulhof. Es war sehr gut, dass wir mit Motorrad da waren, so trugen wir wenigstens die warmen Jacken. Wären wir mit dem Fahrrad gekommen, wie ursprünglich geplant, hätte ich nur den Anorak gehabt, in dem es definitiv zu kalt gewesen wäre. Alle Besucher hüllten sich in mehrere Schichten Textilien. Ein Pfarrer segnete uns Besucher, bevor es losging. 200 Einwohner, ein widerwilliges Kalb, das von der Ochsenrolle wenig begeistert war, zwei gleichmütige und satte Esel, etliche Schafe, die entspannt widerkäuten, und drei Pferde spielten mit. Dass wir die sparsamen Texte nicht verstanden, machte nichts. Man weiß ja, um was es geht. Beherrschend war eine lebhafte Marktszene mit etlichen Ständen, Häuserfronten, Musik aus dem Lautsprecher. Fast zwei Stunden dauerte das Spektakel, das mit Eintreffen der drei Könige auf Pferden endete. Unser Motorrad mussten wir zuerst trockenlegen, als wir aufsteigen wollten, weil sich Tau niedergeschlagen hatte.

Für den Silvesterabend hatten wir uns ein Abendessen wieder im Boraz vorgenommen, auch wenn die um 20 Uhr schon die Bürgersteige hochklappen wollten. Die Kneipen waren noch voll, aber den Jahreswechsel feiert man eher daheim. Die Musikdarbietung orientierte sich am Flamenco, die Gäste sangen mit und tanzten, z.T. dieselben wie zu Weihnachten, z.B. ein etwa 90-jähriger Spanier mit Baseballkappe eröffnete den Reigen. Hinterher war es schwierig ein Taxi zu bekommen, weil alle Welt nach Hause strömt, um den eigentlichen Wechsel dort zu feiern. Carsten zog es ins Bett. So warteten wir in seinem Hotel an der Rezeption auf eine Fahrgelegenheit. Draußen waren kaum Kracher zu hören, nicht etwa, weil hauptsächlich Senioren hier leben, sondern weil Feuerwerk verboten ist.

Zurück am Campingplatz vergnügten wir zwei uns im Womo bei Rummikub, mit Sekt und Comedy bis zu den letzten Minuten des erlebnisreichen, tollen Jahres.

One thought on “15. Almayate 2023

  1. Hallo Aide und Kurt,
    wie interessant, eure Reise, von Aide geschmeidig in Worte gefasst, mit zu verfolgen!
    Weiterhin viele schöne Tage, alles Liebe,
    Dagmar

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