12. Minas de Rio Tinto

Komplett entleert (sowohl Fahrzeug wie Besatzung) zogen wir nach Süden. Wieder freuten wir uns über die von strahlender Sonne (21 Grad) beleuchtete Parklandschaft. Allmählich wurden die Korkeichen von Oliven abgelöst, der Boden war bedeckt von gelbem Klee, Eukalyptus in Herbstfärbung und jede Menge Leerstand an Storchennestern. Die Nebenstrecke, die wir wählten, passierte einen Stausee, aus dem zahlreiche Inseln herausragten und bald erreichten wir die spanische Grenze. Dort hatten wir einen weiten Blick über Olivenhaine, Dreschplätze, Berge in der bläulicher Ferne.

      

Je weiter wir allerdings ins Gebirge kamen, umso düsterer dräuten dunkle Wolken. Die Weiler wurden kleiner, die Straße teilweise so eng, dass ich am Steuer schweißnasse Hände bekam, dann weitete sich der Weg und kletterte den Hang in Serpentinen hoch. Von weitem sah man schon die Halden. Mit einbrechender Nacht erreichten wir den kostenlosen Stellplatz in Minas de Rio Tinto. Das Ehepaar mit Hund, das wir beim anschließenden kurzen Spaziergang nach dem Weg zum Bergbaumuseum fragten, begleitete uns mangels Verständigungsmöglichkeit kurzerhand dorthin. Mir war klar, dass es schon geschlossen hatte, aber die Öffnungszeiten würden irgendwo angeschlagen sein. Tatsächlich schloss gerade ein Angestellter ab. „Kommen Sie einfach morgen 10 Uhr ins Museum. Ihren Anhänger können Sie hier abstellen, denn die Besichtigungen finden mit dem eigenen Auto statt. Alles kein Problem. Die Straßen sind gut“, sagte er. Mehr wollte ich nicht wissen. Unser Vorhaben verzögerte nur das Wetter, denn den ganzen nächsten Tag schüttete es wie aus Kübeln. Also wieder entspannt, in einer Regenpause kurz eingekauft und abgewartet.

Die Geschichte des Erzabbaus in Minas de Riotinto lässt sich bis in die Bronzezeit zurückverfolgen und mündet in der Besiedelung des Landstrichs durch die Phönizier. Aufgefundene Schlackereste zeigen eine Weiterentwicklung des Bergbaus durch von den Römern eingeführte technische Neuerungen. Unter den Almohaden wurden aus dem erzhaltigen Gestein medizinische Tinkturen gewonnen, wohingegen der Bergbau vernachlässigt war. Bis ins 18. Jahrhundert hinein wurden die Minen kaum genutzt, bis sie 1775 ein Schwede vom spanischen Staat pachtete. 1873 kaufte ein britisches Konsortium unter 30-prozentiger Beteiligung der Brüder Rothschild die Bergwerke, gründete die Riotinto Company Ltd. und erschloss weitere Minen. Schon 1875 wurde die innerhalb von nur zwei Jahren gebaute Eisenbahnverbindung in die Provinzhauptstadt eingeweiht, die einen direkten Transport der gewonnenen Erze bis an die Mole von Riotinto im Atlantikhafen von Huelva ermöglichte und damit auch die herausragende wirtschaftliche Stellung von Riotinto dokumentierte. 2001 wurde die letzte Grube geschlossen. Angesichts der seit 2008 anziehenden Rohstoffpreise, insbesondere für Kupfer, wurde der Abbau wieder lukrativ. Seit 2016 ist die Mine für Mangan, Eisen und Kupfer wieder in Betrieb.

Freitag, den 1. Dezember, lachte uns die Sonne. Das ganze Gebiet ist super organisiert mit minimalem Personaleinsatz. Es wird nämlich immer vorgeschrieben, zu welcher Zeit man an welchem Punkt der fünf zu sein hat. Es ist wie im Märchen vom Hase und Igel: kommt man am nächsten Punkt an, dann ist ein Mitarbeiter schon vor Ort, regelt, was dort zu regeln ist. Der Besucher hat Zeit sich per Audioinfo alles anzuschauen und wenn er zum nächsten Punkt aufbricht, ist dort wieder derselbe Mitarbeiter und führt nur die Aufsicht oder steht für weitere Fragen zur Verfügung. Zuerst besichtigten wir das Museum, das etwas ungewohnt (nicht chronologisch) eingerichtet war. Man sieht einen ursprünglich für Queen Victoria gebauten Salonwagen, den dann der hiesige englische Manager günstig kaufte, weil die Queen ihn nie benutzt hat.

   

Ein Gag war der Nachbau des römischen Bergwerks.

        

Wir ließen unseren Anhänger auf dem Museumsparkplatz und fuhren zum zweiten Punkt: dem aufgelassenen Bergwerk Peña de Hierro, wo ein Stollen zu einer der Gruben bis zu einem Aussichtspunkt auf die voll Wasser gelaufene Grube begehbar war.

       

Als drittes brachte uns die alte Grubenbahn Ferrocarril Minero, die früher bis Huelva das Erz lieferte, elf Kilometer zwischen die Halden. Der Zug war absolute Holzklasse, schaukelte und ratterte über die Schienen und im Wagen spulte eine Mitarbeiterin alle Erklärungen auf Spanisch ab. Das war schade, wir hörten unsere digitalen Infos erst hinterher ab, aber die waren bestimmt weniger ausführlich. Das Wasser des Rio Tinto ist rot, teilweise schaumig, jedem Umweltfreak sträuben sich die Haare. Wir wurden am Endhaltepunkt gewarnt, nicht die Hand oder einen Zeh reinzuhalten, das könne zu Allergien oder Verätzungen führen.

   

 

In allen Farben leuchten die Mineralien: hier ein lila Haufen, dort eine rote Abbruchkante, weiß und gelb blinkt der Schwefel, schwarz die Schieferhalden. Ruinen der Gebäude und verrostete Bahnanlagen und viele alte Loks, Wagen und sonstiges Gerät säumen die Strecke.

Auf den Holzbänken im Zug schüttelte es uns durch, aber die Eindrücke waren irre. Am Ende des Tages wurde ein Tor aufgeschlossen zum laufenden Betriebsteil. Die anderen Besucher verteilten sich auf wenige PKWs, keine Schulklassen oder Touristenbusse mehr. Wir schauten in den Corta Atalaya, die größte Grube Europas, in strahlender Abendsonne aber mit tiefschwarzem Gewitterhimmel im Hintergrund. Kaum fünf Minuten Erläuterungen waren vorbei, da scheuchte uns ein Regenschauer in die Autos zurück und ein doppelter Regenbogen erschien wie bestellt. Als letzter Besichtigungspunkt stand das noch original eingerichtete Wohnhaus des englischen Grubenmanagers aus den 1920er Jahren auf der Liste. Erledigt von so viel Eindrücken sanken wir ins Bett.

   

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