Die Landstraße führte uns über Tui und Salvaterra del Miño nach Portugal. Je höher wir kamen, umso dichter hingen die Wolken tief herunter. Unser Ziel war Lindoso im Parque National Peneda-Gerês, aber es dämmerte schon. Im Reiseführer stand wohl, dass der Parkplatz dort für zwei Womos reiche. Wenn der voll wäre, dann müssten wir im Dunkeln suchen. Mir schien es sinnvoller, wir stellten uns auf einen breiten Parkplatz neben der Straße, ca. 4 km vor dem Ziel. Wir schliefen herrlich bei Geschrei von Käuzchen, aber morgens schauten wir ins Weiße. Der Wald war verschluckt. Kurt meint noch optimistisch: „Die Tropfen sind nur Niederschläge des Nebels.“ Vielleicht, doch alles triefte von Nässe. Als wir gleich nach dem Frühstück Lindoso erreichten, blieben wir in der Kurve aufwärts hängen. Der Weg war mit Kopfsteinpflaster belegt, recht steil und unsere Räder drehten einfach durch. Vorsichtig rollte Kurt rückwärts, wir konnten gottlob in einer Nebenstraße parken. Aber abzuwarten, bis der Niesel aufhören würde, war gewagt. Mit Schirm und Stöcken machen wir uns zu Fuß auf. Die steilen Meter, an denen unsere Reifen scheiterten, enden schon nach 50 m, dann wird’s flacher und gerade. Wir amüsierten uns, dass die Gemeindearbeiter im Regen mit Laubbläser arbeiten und schon standen wir am Ziel.
Es ist der Wahnsinn!!! 64 Speicher rund um den Dreschplatz unterhalb der Burg. Leider ist es völlig unmöglich, mich beim Durchbummeln filmen zu lassen, wir waren trotz Schirm bis zum Knie nass, die Jacken durchtränkt, in unseren Schuhen quatschte das Wasser. Wir waren platt von dem Anblick.
Granitspeicher jeder Größe. Im Hintergrund thront das Kastell. Es wurde zwar vermutlich im 13. Jh. gebaut, aber was ist schon eine militärische Anlage gegen das andere? Im Rahmen der portugiesischen Einfälle in Galizien im September 1641 nutzten die Streitkräfte Portugals den Stützpunkt. Bis 1666 wurde restauriert (Inschrift auf dem Türsturz). Es dauerte nur drei Jahre, bis es kurzzeitig in die Hände spanischer Truppen fiel.
Die Dächer der Speicher sind durchweg aus Granitplatten. Hölzerne Türen sind meist an der Stirnseite. Der längste Speicher saß auf 14 Stützen. Einer wurde noch zum Wäschetrocknen benutzt. Manche haben zwei Kreuze auf den Giebeln, manche nur eines und einen Zapfen.
Ein Speicher trägt die Jahreszahl 1889, einer 1881. Am Platz vor dem Gelände steht ein Infozentrum, das auch geöffnet haben sollte, aber die Tür war abgeschlossen. Wir rüttelten und klopften ziemlich betröppelt ohne Erfolg, weil zu zaghaft. Erst als der Arbeiter vom Pfarramt gegenüber kräftiger klopfte und rief, wurde uns aufgetan. Der Angestellte outete sich als Biologe und ergoss auf meine Fragen einen Schwall wertvoller Informationen über uns. Leider gibt es keinerlei Broschüren in Englisch. Er erzählte, dass die ältesten Speicher von 1730 sind, bis 1910 wurden sie listenmäßig erfasst. Ca. 10 werden noch benutzt. Sie gehörten reichen Familien bzw. danach Erbengemeinschaften, Großfamilien besaßen mehrere. Die vergaben Aufträge an Steinmetze, die auch für Grabsteine zuständig sind. Die Felder der Eigentümer lagen im heutigen Stauseegebiet. Heute sieht man keinerlei Getreide irgendeiner Art angebaut.
Die Dörfer veröden und Auswanderer wissen oft gar nicht, dass ihnen Anteil an einem Speicher zusteht. Man lagerte Kartoffeln, Kürbisse etc. Da alle in Privatbesitz sind, wird keine staatliche Unterstützung zur Erhaltung gewährt. Sie fallen aus dem Register, sobald ihnen das Granitdach fehlt. Ziegel wurden hier nie verwendet. In weiteren zwei Dörfern gibt es noch Gruppen von 25 bzw. 8 Speicher. In manchen Weilern leben nur noch 17-25 alte Leute, keine Kinder mehr. Früher gab es Wasserbewirtschaftung, jeder Familie standen feste Tage der Nutzung zu.
Als wir uns verabschiedeten, ragte nur noch die erste Reihe der Speicher aus dem Nebel, eine ganz gespenstische Atmosphäre.