Da Kurt auf dem Wanderparkplatz nicht übernachten wollte, stoppten wir erst in Monforte de Lémos, ein Stellplatz hinter einem Verwaltungsgebäude, wieder aus der App. Außer uns nur ein Fahrzeug. Unterwegs schüttete es wieder zeitweise. Der Regen verstärkte sich über Nacht und pausierte nur kurz am nächsten Morgen. Ich spazierte kurz rundum, entdeckte, dass wir nahe eines Flusses standen und filmte Ziegen, von denen eine unerklärlicher Weise empört schrie.

Als ich zurückkam, hatte Kurt die Toilettenkassette gerade entleert und eine üble Entdeckung gemacht: die Seitentür ließ sich nicht mehr öffnen, weder manuell noch mit der Fernbedienung. Zu unserem Glück hatten wir den Abend zuvor vergessen, die zusätzliche Sicherung der Fahrer- und Beifahrertür zu verriegeln. Sonst wären wir nicht mehr ins Auto gekommen. Letztes Jahr hatten wir auch schon Ärger mit dieser Tür. Anrufe bei Dümo erbrachten nichts, die Tür war unbenutzbar. Die Regenpause verging mit einem Reparaturversuch. Doch bei der Weiterfahrt öffnete sie sich plötzlich von selbst. Angehalten, ich knallte sie zu und wollte den äußeren Sicherungsriegel vorlegen, aber die Tür klaffte unten etwas und schien nicht mehr in den Rahmen zu passen. So ein Mist! Der nächste Anruf erreichte einen anderen Mitarbeiter in Dülmen, der uns wenigstens drei Adressen in Portugal nannte, wo man uns eventuell helfen könnte. Inzwischen schüttete es derart, dass wir den Cañyon de Sil links liegen ließen und lieber weiterzogen Richtung Pontevedra. Abgesehen von einer kurzen Lücke in den Wolken, bei der ich raussprang und frierend ein Foto schoss (10 Grad), kübelte das Wasser vom Himmel. So einen Regen haben wir noch nicht erlebt.
„Wenn Du mich schreien hörst, dann erschrecke nicht“, sagte ich zu Kurt. „Dann habe ich nur den ersten Getreidespeicher gesehen.“ Auf diese Dinger warte ich schonm, seit ich im letzten Jahr die ersten Fotos davon gesehen habe. Sie stammen aus dem 15.-19.Jh. zum Schutz der Feldfrüchte vor Mäusen. Keine zwei sind gleich. Welcher Handwerker mag dafür zuständig sein? Das Material ist Granit oder/und Holz. Zumindest die Steine kann doch kein Bauer selber brechen! Als der Regen 15 km vor Pontevedra stoppte, hielten wir kurz an, weil Kurt sich mal die Beine vertreten musste. Plötzlich öffnete er die Tür: „Zieh dir mal eine Jacke an, ich zeig dir was.“ Er hatte den ersten Speicher entdeckt – direkt unterhalb der Haltestelle. Juchzend sprang ich drumherum und in der Nachbarschaft gucken gleich drei weitere hinter dem Gebüsch raus. Und nun geht es Schlag auf Schlag fast in jedem Garten. Weit und breit sind aber keine Getreidefelder zu sehen.
Zuerst fanden wir nicht die Zufahrt zum kostenlosen Stellplatz in Pontefedra, später sah ich zu Fuß die Einfahrt, aber auch, dass die Markierungen für uns zu kurz sind. Etwas weiter weg zwischen der Uferstraße des Rio Lérez und einem Park entdeckten wir dann aber einen unbefestigten großen Platz, den wir etwas illegal entgegen der Einbahnstraße erreichen. Drei andere Camper standen schon da, ein paar Autowracks rosteten halb im Schilf. Nicht lange, nachdem wir uns perfekt positioniert hatten, brachen zwei Gewitter los, die es in sich hatten. Das Wasser trommelte gegen den Wagen, dass man sein eigenes Wort kaum verstand.
3. November. Entweder es schüttete wie in Afrika oder die Sonne schien. Wir verließen kurz den Platz, um eine neue Gasflasche zu kaufen. Letztes Jahr brauchten wir nur für den Kühlschrank und fürs Kochen das Gas, diesmal müssen wir fast jeden Tag heizen. Unser Platz war noch frei, als wir zurückkamen. Das Trockenintervall reichte für einen Spaziergang in die Altstadt, den wir mit einer Dusche im Womo beschlossen.
Der nächtliche Wolkenbruch war um 12 Uhr abgeklungen, als wir uns wieder in die Stadt aufmachten. Der Ort fesselte uns, die Vorbauten, Balkone, verzierten Fensterrahmen, die zahllosen Arkaden entlang der engen, alle sauber mit Granit belegten Gässchen. Auffallend viele Kirchen sind ruinös oder verwahrlost. Wann sind die alle zerstört worden? Hat die Kirche hier weniger Geld als bei uns? In der Klosterkirche San Francesco, gotisch mit Holzdecke, warteten wir das Ende der Messe ab.
Auf der Plaza de Ferraria spielte einer Dudelsack, viele kleine Plätze mit Bars luden zum Rasten ein. Was bei uns ein kleiner Schauer ist, ist hier ein Wolkenbruch. Habe fertig, Wolke leer, könnte man sagen. Niesel kennen die Spanier nicht. Es reicht, sich mal eben unterzustellen, weiter geht’s. Auf die Art besuchten wir das galizische Museum, aber leider gibt es zwar ein paar interessante archäologische Informationen (Felsritzungen, keltische Figuren), aber nichts Ethnographisches.

Eine schlaflose Nacht folgte, in der wir uns ernsthaft fragten, wann unser Heim wohl kippt. Sturm mit 90 kmh beutelte das Auto und Wasser peitschte auf uns nieder, ein unbeschreiblicher Krach. Besorgte Blicke ergaben allerdings, dass die Wassermassen abflossen. Die drei Camper neben uns, etwas oberhalb noch drei, spiegelten sich nicht in der Flut. Fernsehen war unmöglich, die Schüssel hätte es abgerissen. Donner und Blitz beleuchteten das Umfeld bei 17 °C.
Am anderen Ufer des Flusses, dessen Pegel am Sonntag etwa um zwei Meter gestiegen war, fand ein Fußballspiel von Jugendlichen statt und deshalb füllte sich unser Parkplatz. Die hatten am Vorabend schon getrommelt, und joggten auch im Regen. Wir entleerten unsere Kassette trickreich am offiziellen Platz und fuhren in den Vorort Combarro.
Am Hafen passten wir elegant auf einen Standstreifen. Was für ein Städtchen! Die Drosselgasse ist nichts dagegen. Bei Sonne und wenig Getröpfel liefen wir kreuz und quer, auf den Lippen den Song der Band Trio: Da, da, da…, denn der denkmalgeschützte alte Ortskern von Combarro ist ein repräsentatives Beispiel für die drei traditionellen Architekturelemente Galiciens: Speicher auf Stützpfeilern, Fischerhäuser und Steinkreuze.
Am Plaza de San Roque stößt man auf das Bibliotheksgebäude aus dem 18. Jahrhundert und zwei der Steinkreuze des Dorfs. Die Kreuze von Combarro zeichnen sich durch eine Besonderheit aus: die Marienfigur schaut immer auf das Meer, der Christus ins Landesinnere. Weiter auf der Calle de San Roque gelangt man in die Calle A Rúa mit ihren traditionellen Fischerhäusern mit engen Bogenreihen und Balkonen aus Stein oder Holz, je nach den finanziellen Möglichkeiten des Eigentümers. Speicher auf Stützpfeilern sind etwa dreißig der einst fast 60 Bauten erhalten, die Combarro besaß. Die meisten von ihnen sind aus dem 18. und 19. Jahrhundert.
Ein Winkel war schöner als der nächste, die Gassen fast zu eng, um mit ausgeklapptem Schirm durchzukommen. Als wir genug hatten, tranken wir Kaffee in unserem Gefährt, während die spanischen Wochenendtouristen zu ihren Bussen pilgerten.
Heute war unser Fernziel A Guarda am Rio Miño, wo man eine der zahlreichen keltischen Siedlungen ausgegraben hat. Doch die 80 km dahin waren der Horror. Eine Waschanlage ist nichts dagegen, der Regen peitschte wie ein Orkan gegen uns, fegte in Böen seitlich über die Straße, bis wir die Autobahn verließen. Am Fluss wurde es merklich ruhiger, der Regen setzte aus, wir gelangten zu einem richtigen Campingplatz, wo wir mal dringend das Auto innen säubern müssen. Wäsche waschen, mit Stromanschluss arbeiten etc. Nur eine spanische Familie, eine Niederländerin, und ein Schweizer Ehepaar rasteten hier, die Sanitäranlagen waren sehr sauber, die Betreiber ausgesprochen freundlich, viele verlassene Dauerzelte spiegelten sich in den Pfützen. Vorgestern soll das Wasser hier knöcheltief gestanden haben. Sei’s drum, der Abend war freundlich.