3. Kastilien

Am Montag 30.10. entschieden wir, nicht der Küste weiter zu folgen, sondern in Richtung besseres Wetter, d.h. Süden größere Strecken zurückzulegen. Die Wettervorhersagen lassen nichts Gutes ahnen. Im Regenradar sahen wir nur blau. Nachdem wir das Gebirge mit 1200 Höhenmetern hinter uns gelassen hatten, blieb es trocken durch die Meseta. Maximal 830 bis 1002m hoch betrug die Temperatur nur 14°C. Riesige Felder bis zum Horizont bei klarster Sicht, kaum Hecken, ab und zu ein Wäldchen. Vor Léon rasten wir und erreichen um 17:30 Uhr Ponferrada. Erst auf den letzten 60 km regnete es stark.

Umso strahlender wirkte die Sonne am Dienstag. Der kostenlose Stellplatz hätte für 40 Womos gereicht (aktuell elf) und lag neben einer Herberge für Pilger nach Santiago, zentral am Rande der Altstadt. Mitten in der Stadt liegt die Burg der Tempelritter, die hier die Pilger versorgten. Etwa 15.000 Ordensmitglieder verwalteten von 1118 bis 1312 um die 9000 über ganz Europa verstreute Besitzungen. Ihre Aufgabe war es, Gewinne zur Finanzierung des Kampfes in Palästina zu erwirtschaften und Männer anzuwerben. Zu den bekanntesten Standquartieren zählen die in Paris, London und die Komturei Tempelhof (Tempelhoffe, 1290), das heutige Berlin-Tempelhof, wo die burgartig erhöhte und ummauerte Dorfkirche Tempelhof im Alten Park das letzte Überbleibsel dieser alten Templerkomturei darstellt. Natürlich ernteten die Erfinder des frühen Reiseschecks Neid auf ihre Finanzmacht und der Pabst verbot sie per Verwaltungsakt.

Die Besichtigung der Burg lohnte sich, da wurde in die Sanierung viel Geld gesteckt. Eine Ausstellung präsentierte prächtigste handgemalte Psalter und Stundenbücher (8.-16.Jh.) teils im Original teils im Faksimiledruck. Der Versammlungssaal ist restauriert.

     

   

Auf dem Platz vor der Kirche, die sehr karg und dunkel war, saßen wir im Café und beobachteten die mit großen Rucksäcken auf dem Buckel und in sich gekehrtem Blick daherschlurfenden Pilger. Selbst in Häuser, die uns wie zum Abriss freigegeben vorkamen, flutschten noch Bewohner oder auf halb verfallenen Balkonen baumelte Wäsche neben Neubauten. Viele Läden stehen leer. Sehr deplaziert in all dem Niedergang wirkte die Halloweendeko. Wenn mich einer gesehen hat, wie ich zum Supermarkt ging, der wird sich über mein Grinsen gewundert haben. Ich konnte kaum an mich halten, nicht laut herauszulachen, denn ein Mann vor mir hatte seinen Gasantrieb eingeschaltet und furzte eine ganze Kanonade, ohne einen Gedanken an seine Umgebung zu verschwenden.

       

 

Der November begann erfreulicherweise mit Sonne. Die 30 km bis Las Médulas waren auf gelber Nebenstraße gut zu fahren und ausgeschildert. Las Médulas, das als größter Tagebau der Römerzeit gilt und zum Weltkulturerbe erklärt wurde, erstreckt sich über eine Landschaft von einzigartiger Schönheit, umgeben von jahrhundertealten Kastanienbäumen, Lagunen, Seen, Gipfeln und Galerien. Es ist eines der größten Ingenieurwerke der Antike. Kurt klagte allerdings schon nach dem Weg vom Parkplatz zum Infozentrum, selbst für die 3-km-Strecke war ihm zu flau, deshalb entschied er sich bedauernd zum Rückweg. Wie schön, dass er mich zum Weiterwandern ermunterte, er sah ja meine Begeisterung. Trocknen Fußes gelangte ich zur Höhle El Encantada und entschied mich zu einem Abstecher zu einer schönen Aussicht. Es sollten nur 0,9 km sein, wurden aber derart steil, dass ich schließlich alle 10 Meter anhalten musste, um wieder Luft zu kriegen. Ich war nahe dran aufzugeben, als mich eine ganze Seniorenwandergruppe von ca. 40 Leuten einholte. Viele davon japsten genau wie ich, aber der spanische Wanderführer feuerte sie an. Da musste ich doch mit! Bereut habe ich es nicht, auch wenn an der Zielgalerie die Ticketbude, bei der man Helme ausleihen muss, um in das Abri zu gelangen, gerade Mittagspause machte bis 17 Uhr. So lange wollte ich Kurt nicht warten lassen. Wer weiß, wozu es gut war.

     

     

Bei Absturz hätte ich auf einer römischen Abraumhalde geendet und das will noch nicht mal ich. Außerdem tröpfelte es schon. Halbwegs trocken erreichte ich wieder den Ort. Alles in Allem ein sagenhaftes Gelände, in dem man sich nicht gewundert hätte, wenn von der nächsten Kastanie Miraculix mit goldener Sichel hinuntergeklettert wäre. Der Boden lag gesät voll Esskastanien, aber überall Schilder, dass man nicht sammeln dürfe. Gegen Steintransport hatte niemand was. Die Felsen sind aus Konglomerat mit Geröllen und eisenhaltigem Material dazwischen, sehr bröckelig.

 

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