Kapelle des Haremhab, 18. Dyn.
Per Zufall schaue ich aus dem Fenster und traue meinen Augen nicht: Das ist doch ein Steinbruch! Ich google, richtig. Legt hier keiner an? Das ist doch ein Eldorado! Besonders ab dem Neuen Reich, als man vermehrt Sandstein – anstelle des Kalksteins oder Granits – als Baumaterial verwendete, wurde Gebel el-Silsile ausgebeutet. Die Steine wurden in Karnak, Luxor, Kom Ombo, Esna, Edfu, Dendera usw. verbaut. Das muss man sich mal vorstellen, da fährt man einfach so vorbei und die Augen fallen einem fast raus. Ich sehe eine gute Teerstraße dahinführen, Gitter und Erklärungstafeln. Ahmed erzählte mir dann, dass man mit der Dahabija von Phoenix dort anhält, aber – wie einige Internetberichte zeigen – wenn man Pech hat, haben Führer bzw. Mitreisende wenig Spezialinteresse und schon kriegt man bestenfalls eine halbe Stunde Ausgehzeit. Man muss schon allein per Taxi von Kom Ombo aus sich einen halben Tag da rumtreiben, dann findet man sicher auch die Inschriften hier und da. Die Steinbrüche, in denen unter Ramses II. 3000 Arbeiter schufteten, liegen auf der Ostseite, auf der Westseite sind auch Abbauspuren, aber hier sind hauptsächlich Gräber, Schreine und Tempelchen.
Auf der ersten Reise hatten wir den Chnum-Tempel von Esna ausfallen lassen, weil wir mal ausschlafen wollten. Jetzt holten wir die Besichtigung nach. Am Ufer steht eine Moschee im andalusischen Stil. Man musste nur den Spießrutenlauf an den Händlern einer Ladengasse vorbei durchstehen, aber das gelang uns flott. Nur nicht stehenbleiben und etwas anschauen, sonst erwischt es einen. Viele Häuser mussten abgerissen werden und weitere werden noch folgen, um das ganze Areal freizulegen. Auf alten Stichen sieht man, dass das Gebäude bis in halbe Höhe verschüttet war. Heute steigt man unter Straßenniveau hinab.
In Esna verlangten die römischen Kaiser, auch die Säulen mit Texten zu bedecken. Das fanden sie wohl hübsch. Jeder erweiterte hier: Claudius, Tiberius, Mark Aurel, Commodus, Domitian, Trajan und Titus. Man sieht die Herrscher als Pharaonen vor den Göttern, Sternkreiszeichen und andere ungewöhnliche Bilder, die nicht dem altägyptischen Kanon entsprechen. Offenbar waren das rein dekorative Abschriften, denn in einer Ecke wiederholt sich ein blödsinniger Text: „ich werde nicht zu einem Krokodil gehen und mich hüten davor“. Dabei gab es in Esna nie Krokodile. Der Schreiber hat weder selbst verstanden, was er da schreibt noch den Zweck im Rahmen der Rituale. Die Einschusslöcher stammen nicht von gelangweilten Mameluken wie in Edfu, sondern von Napoleons Soldaten, die die verschanzten ägyptischen Truppen hier einkesselten.
Corona war ein Segen, weil man für die Reinigung der Farben -ungestört von Touristen- Zeit hatte (Wachstechnik). Ausgegraben hat hier die Uni Tübingen.
Kaum legt das Schiff in Esna ab, kommt man zu einer Schleuse. Wie üblich hockten Männer auf der Anlage, wir dachten uns nichts dabei. Eine Abwechslung ist so ein Manöver immer. Entsprechend verfolgten wir die Annäherung von der Reling oder den Liegestühlen aus. Mehrere Männer breiteten eine bedruckte Tischdecke aus. Schwups! landete sie an Bord, als die Händler Ingrids Interesse bemerkten. Sofort wurde hin und her geschrien und lautstark feilschte Carsten mit ihnen. Sie wollten 25 Euro. Ein Kellner zischte hinter uns, so, dass er von unten unbemerkt blieb: „Die Decke ist höchstens 3 Euro wert.“ Carsten handelte sie auf 7 Euro runter. Wie wollten die Verkäufer nun an ihr Geld kommen? Wir hielten ja nicht an. Da landete die nächste Decke in einer Tüte. Von uns konnte keiner aussteigen. Wir wussten nicht, dass die eigentliche Hebeanlage erst noch vor uns lag. Wie die Leute so schnell dahin kamen oder ob es andere Männer waren, ließ sich nicht erkennen. Jedenfalls schrien Minuten später wieder welche von unten und das Geld wurde in der zweiten Tüte hinuntergeworfen, die zweite Decke war nur als Gewicht gedacht. Ingrid war ganz aufgelöst vor Aufregung.