Aus unserer Kabine hatten wir beim Aufwachen den Blick rechts. Der Mond stand darüber, die Morgensonne warf ein unwirkliches, rötliches Licht auf die Kulisse – eindeutig Pylone! Mehrere Gebäude auf jeden Fall. Das fremde Schiff passte nicht so ganz dazu, aber kein Laut war zu hören. Schweifte der Blick mehr nach Süden, sah man den Tempel auf dem linken Bild rechts. Ganz links stehen Verwaltungsgebäude.
Die Tempel von Wadi Es Sebua, El-Dakka und Maharraka sind in fußläufiger Entfernung voneinander am Ufer wiedererrichtet. Unser Beiboot setzte uns im Süden ab und zu Fuß näherten wir uns dem Eingang des ersten Baus, dem Amun geweiht. Diesen erbaute Setau, Vizekönig von Kusch, im Namen Ramses II. Das Gebäude retteten die Amerikaner. An seinem ursprünglichen Platz in einem Tal wurde der Tempel regelmäßig teilweise überschwemmt, wodurch zwei, aus ungebrannten Lehmziegeln erbaute, Pylone praktisch zerkrümelten. Vom Osirispfeilerhof steigt eine Treppe, die auch ziemlich abgetreten war, in den eigentlichen Felsentempel mit einer 12-Pfeiler-Halle, hinter der ein Querraum mit drei Kapellen liegt. Der Sandsteinfels drumherum ist nachgebildet. Ein Relief wurde in christlicher Zeit, als das Allerheiligste als Kirche benutzt wurde, so angeglichen, dass Ramses nun nicht mehr der Sonnenbarke des Re-Harachte opfert, sondern Petrus mit dem Himmelsschlüssel.
Wir verschmähten den Eselskarren, der für Fußlahme bereitstand, sondern spazierten etwa einen Kilometer zu dem zweiten, dem Gotte Thot geweihten Tempel aus El-Dakka. Der Weg war eben, die lybischen Wüstenausläufer sandig mit einzelnen Hügeln. Auf einer der Kuppen steht jetzt der vom meroitischen König Arqamani ca. 200 v.Chr. begonnene Tempel, der bis zur Zeit des Kaiser Augustus ergänzt wurde. Trotzdem fehlte auch diesem Bau der letzte Schliff. Er trägt trotzdem griechische, demotische und meroitische Besucherinschriften, war also schon benutzt. Die Vorhalle wurde ebenfalls später zur Kirche umfunktioniert.
Vor dem Eingang wollte ein Nubier ein kleines lebendes Krokodil verkaufen, zwei andere hatten die üblichen Souvenirs ausgebreitet. Viel Kundschaft kommt hier sicher nicht vorbei. Sehnsüchtig äugten wir ins Ufergebüsch, ob ein Reptil sich sehen ließe. Nichts! In der nördlich anschließenden Bucht beginnen kleine Bäume und Büsche einen Saum zu bilden. Vor dem Aufstauen des Wassers war das alles Wüste, erstaunlich, wie lange eine Besiedlung mit Pflanzen in solchem Klima dauert.
Jenseits der gebahnten Touristenwege bietet die Wüste nicht nur Kunsthistorisches, sondern auch geologisch und biologisch Interessantes. Auf dem Sand lagen dicken Brocken, die an vulkanische Schlacken und geplatzte Gasblasen aus geschmolzenem, eisenhaltigen Gestein erinnerten. Kaum zu glauben, dass hier das Magma nur durch Ritzen gequollen sein soll. Die sahen aus wie flüssig aus einem Krater geworfen und schockgekühlt. Ganz unbedarft hob ich einen Stein nach dem andern. Unbedingt wollte ich davon einen mitnehmen. Unter den dicksten Steinen lauerten honigfarbene Skorpione. Glück gehabt. Es hätte mich erwischen können. Eine Menge unbekannter Vögel zwitscherte im Schilf.
Der römische Serapis-Tempel von Maharraka war am ursprünglichen Ort im Winter überschwemmt. Er ist der einzige Tempel mit einer Wendeltreppe. Die Kapitelle sind nur grob vorgeformt. Die detaillierte Bearbeitung fehlte noch. Am Ufer bestiegen wir die kleine Jolle und schipperten zum Kreuzfahrtschiff. Auf der Weiterfahrt fiel uns auf, dass viele der Berge pyramidenförmige Silhouetten haben. Liegt dann der Gedanke nahe, eine derartige Bauform zu wählen?