Der eineinhalbstündige Flug nach Assuan bezauberte wieder durch die Aussicht auf Nil, Fruchtland und Wüste. Die östliche Wüste ist gebirgig. Deutlich erkennbar die Wadis. Ab und zu unterscheidet man militärische Autokolonnen oder Lager, denn die viermotorige Maschine flog nur ca. 3000 m hoch. Auch der Flugplatz von Assuan liegt in der Wüste. Jedes Fotografieren ist streng verboten.
Bis jetzt besteht der Flughafen nur aus einem Kiosk mit einzelnen Stühlen an der Landebahn und ein paar Ölfässern als Pistenmarkierung. Die Passagiere werden vom Bus abgeladen und stehen dann in der Einöde herum, bis ein Flugzeug landet. Während des Fluges waren wir von einer Stewardess angesprochen worden, ob wir Österreicher seien. Offenbar wurden welche vermisst. Möglich, dass Vaters Aufmachung die Annahme begünstigte. Er hatte kurze Hosen an und sein Assuankäppi auf. Der Transfer nach Assuan dauerte eine weitere Stunde. Immer wieder passierten wir Straßensperren mit viel Militär. Abgeladen vor dem Büro von Egypt Air, teilten wir mit einem Ami eine Kalesche (50 Ä£) zum Kalabsha Hotel [existiert nicht mehr]
Nach Stärkung und Reinigung suchten wir zunächst zusammen mit dem Ami Cook’s Büro auf und engagierten für den Nachmittag eine gemeinsame Taxifahrt zu den wesentlichsten Monumenten. Dann begab ich mich ins Deutsche Krankenhaus (1906 gegründet), das mir die deutsche Lehrerin bei Sheikh Ali empfohlen hatte. Ich hatte mir eine juckende Allergie geholt, weiß der Himmel, wovon. Ein Allergietest war zu zeitaufwändig, einzige Möglichkeit auf die Schnelle waren zwei Riesenspritzen und Tabletten, die mir die Ärztin verabreichte. „Schlafen Sie erstmal“, empfahl sie mir eindringlich, „Sie werden es brauchen.“
Auf dem Weg zum Hotel kam ich mir schon vor wie betrunken. Besorgt bemerkte Vater: „Du kannst Dich ja kaum auf den Beinen halten.“
„Nachher muss ich wieder fit sein. Wir haben doch Termin gemacht!“ Kaum hatte mein Kopf nach dem Essen das Kissen berührt, schon schlief ich, war beim Wecken zwei Stunden später noch immer taumelig und dann erst am Assuandamm wieder einigermaßen klar bei Geiste. Bevor wir den Damm erreichten, mussten wir bei einer Polizeikontrolle unsere Kameras abgeben. Unser Dragoman erklärte die technischen Einzelheiten. Nachdem wir die Fotoapparate wiederhatten, enterten wir ein kleines Boot, das uns über den Nassersee nach Philae brachte.
Gedenkmünze zum Bau des Assuandammes
Es war ganz eigenartig, mit dem Schiff durch die Tempelanlage zu fahren. Zwischen den beiden ptolemäischen Pylonen legten wir kurz an und liefen auf dem Tempeldach herum. Die Österreicher werden dieses Monument retten. Wenn die Spundwand rund um den Tempel fertig ist, pumpen sie das Wasser ab und montieren das Bauwerk auseinander, um es dann auf der Höhe in Sichtweite wiederaufzubauen. In den antiken Granitsteinbrüchen betrachteten wir den unfertigen Obelisken. Fertig wäre er ungefähr 40 m hoch gewesen, aber während der Arbeit zeigte sich ein Riss. Die Technik war dieselbe wie die der Römer am Felsenmeer im Odenwald: Zuerst bohrten die Arbeiter Löcher, dann trieben sie Holzkeile hinein, begossen sie mit Wasser, damit sie aufquollen und den Stein sprengten. Meter für Meter wurde so herausgetrennt, wie später. Abends bei einem Spaziergang wurden wir von Jugendlichen physisch bedrängt. Erst als ich rief: „Yalla, yalla!“ und die Hand zum Schlag hob, machten sie sich aus dem Staub.
In Assuan gibt es sehr viele russische und polnische Touristen, die das Werk ihres Landes (den Damm) besichtigen. Allein in unserem Hotel wohnten 100 Russen und 70 Polen. Sie fahren kostenlos hierher. Auf diese Weise zahlt der Staat seine Anleihen zurück. Der Haken ist bloß, dass sie zu wenig Taschengeld bekommen (6 Ä£ für zwei Wochen) So verkaufen sie alles, was sie einigermaßen entbehren können, wie uns der Geldwechsler im Hotel erzählte, sogar die Frauen sich selbst für 1 Ä£. Normalerweise kostet eine ägyptische Prostituierte 5 Ä£. Man kann sich also vorstellen, dass sie ganz gut Zulauf haben. Als unser Informant später erfuhr, dass ich nicht die Ehefrau, sondern die Tochter bin, entschuldigte er sich vielmals, in meinem Beisein über Prostitution gesprochen zu haben.
Assuan ist eine sehr reizvolle Stadt, weil zu dem Kontrast von Gelb, Blau, Grün noch die üppigste Pflanzenwelt auf den Inseln des ersten Katarakts gedeiht. Die Bevölkerung besteht hauptsächlich aus Nubiern, zeigt also eine dunklere Hautfarbe. Unser Aufenthalt war zu kurz, um mit Einheimischen in näheren Kontakt zu kommen. Die Stadt ist deutlich sauberer als Cairo, macht aber auch durch die modernen Häuser einen etwas sterilen Eindruck.
Am Abend klopfte es an unsere Zimmertür. Es war ein Hoteldiener, der mit einer Insektenspritze hereinkam und à la Wilhelm Busch das ganze Zimmer ausspritzte (vermutlich mit DDT). Trotzdem besuchte uns in dieser Nacht ein Moskito.
Am 25. März standen wir wegen einer Vereinbarung mit Cook’s um 6 Uhr auf. Mit einem Segelboot ging es zunächst zur Insel Elephantine. Die Deutschen haben dort ein sehr hübsches Grabungshaus. Die Kampagne begann gerade wieder. Am liebsten hätte ich mich sofort mit einem Spachtel ins nächste Loch gestürzt um mitzumachen. Anschließend segelten wir durch die außerordentlich romantische Landschaft, die Felsen des Katarakts. In der Ferne sah man das Mausoleum Aga Khans. Das Ziel war die als botanischer Garten hergerichtete Kitchener-Insel; eine herrliche Blütenpracht exotischster Sträucher und Palmen etc. Pflanzen, die man nur aus Lehrbüchern kannte. Am anderen Ufer erkannte man die Felsengräber von Assuan in den gelben Bergen.
Um 8 Uhr mussten wir zurück sein, denn wir hatten einen Flug nach Abu Simbel gebucht. Diesmal eine zweimotorige Maschine. Nie werde ich den Augenblick vergessen, als das Flugzeug über dem Nassersee kurvte und der Tempel Ramses II. unter uns auftauchte. Der Kontrast von sattem Blau und dem wie aus dem Sand herausgeschnittenen Monument, bei dem man jede Statue erkennen konnte, war so überraschend, dass alle hingerissen an den Bullaugen hingen. Schließlich landete die Maschine mitten in der Wüste und ein Bus brachte uns zu unserem Ziel. Enttäuschend war, dass man gezwungen wurde, mit allen Passagieren hinter dem Führer herzulaufen. Allein Herumgehen war nicht gestattet. So ging alles viel zu schnell halb in Trance vorbei. Nach dem Haupttempel folgte der kleinere der Nefertiti, sodann das Innere des künstlichen Berges. Der Tempel ist vollständig von Beton ummantelt und der wieder aufgebaute Berg lediglich Attrappe. Erstaunlich für alle war dieser Erfolg der Technik. Auf dem Rückflug nach Assuan durfte jeder mal ins Cockpit. Den Rest des Tages verschlief ich, da mich die Spritzen vom Vortag doch ziemlich geschwächt hatten.