Am 14. nahm ich mir im Ägyptischen Museum das Alte Reich vor. Bei den Hausmodellen und Kriegerfiguren sprach mich Adel an, der uns noch weiter beschäftigen sollte. Auf jeden Fall wollte er mich am selben Tag nochmal sehen, so beschloss ich, ihn als Begleitung in den Suq mitzunehmen. Obwohl Pünktlichkeit in diesem Land eine seltene Erscheinung ist, stand er Punkt 13 Uhr am Hotel und zu dritt zogen wir los. Nachdem er uns in seinen Club geschleift hatte, mussten wir dann zum Zug, denn unser nächstes Ziel war Luxor.
Auch der Zug fuhr pünktlich ab und war hinsichtlich der Hygiene durchaus akzeptabel. Nach 14 Stunden Fahrt erreichten wir Luxor um 11 Uhr morgens.
Vom Zug aus betrachteten wir das Leben im Fruchtland, sahen die Siedlungen in den Palmenhainen, Kamele, die ins nächste Dorf zogen, Männer, die das quer liegende Schöpfrad mit einem Maultier bewegten oder auf den Feldern arbeiteten. Es gab auch senkrecht stehende Räder, an denen Töpfe festgebunden waren, um das Wasser in kleinere Gräben zu schütten. [2023 nur noch Motorpumpen zu sehen] bzw. Shadufs, die mit einem Hebelarm Eimer hochziehen. Als dann die Wüstenberge auftauchten, wussten wir, dass Luxor nicht mehr weit sein konnte. Nach Qena, Qift und El-Shanhûriya war es Zeit zum Aussteigen.
Sakiye Shaduf Krugkette
Natürlich schloss sich uns gleich ein Gepäckträger an, den wir mühsam am Bahnhofseingang loswurden. Doch kaum war das geschafft, nahmen uns die Kutscher ins Visier. Wir suchten einen bestimmten Laden, den uns Frau Brorsen aufgemalt hatte und den wir durch Energie und zu Fuß nach einigem Hin und Her auch erreichten. Es war ein Fahrradhändler, von dem wir zwei Vehikel für die zehn Tage mieten wollten (Boulos). Die Koffer stellten wir zunächst da unter und erkundeten in Ruhe, wo die Fähre anlegte, und inspizierten die Corniche. In der Nähe des Luxortempels gerieten wir in eine Schulklasse. Die Lehrerin fragte mich, woher ich käme und ob sie sich zusammen mit mir fotografieren lassen dürfe. Warum nicht? Da wir einen netten Platz zum Sitzen suchten, landeten wir dann zufällig in demselben Gartenlokal, in dem auch diese Mädchenklasse den Schatten aufgesucht hatte. Kaum hatten wir uns gesetzt, umringten sie uns wieder. Wir mussten erzählen, singen, mit ihnen tanzen, unsere Augenfarbe bestaunen lassen und zum Schluss wurden wir geküsst. Sie waren alle außer Rand und Band. Das Ganze dauerte bis zum Spätnachmittag und zu guter Letzt begleiteten sie uns bis zum Fahrradhändler.
Dann hatten wir endlich wieder Luft und begaben uns zur Fähre, um zu unserem Hotel auf dem Westufer zu gelangen. Vorher hatten wir noch einen Auftrag zu erledigen. Der Diener der in Cairo musizierenden Familie, der aus Luxor stammte, hatte uns für seinen Bruder Abdel einen Brief mitgegeben.
„Ihr erkennt ihn an zwei Silberzähnen. Sein Haus ist klein“, hatte er uns versichert.
Wir legten am Westufer an. Die ersten Esel hatten wir abgewimmelt, es ging über einen Damm. Dann standen wir vor einem wackeligen Haus an einem Platz. Sofort waren wir von Kindern, Eseln und deren Treibern umgeben. Einer war besonders penetrant. Blitzt es nicht in seinem Mund? fragte ich mich und schaute genauer.
„Do you know Abdel Rachim?“
„It’s me“, lachte er. Als Beweis zeigte er ein Foto seines Bruders. Das war also leichter erledigt als befürchtet. Sofort wurden wir zu einem Tee eingeladen und glücklich hielt Abdel den Brief in der Hand. Man saß auf Matten und Mäuerchen vor dem Haus, neben mir einer, der sich als Großvater Abdels ausgab, es aber – wie sich später herausstellte – nicht war, und Yousuff. Ergebnis seiner Überredungskunst war, dass er unsere Koffer auf einem Esel festband. Behände schwang er sich auf dessen Rücken und wir uns auf die Sättel unserer Fahrräder. Nach einiger Strecke machte unser Begleiter einen Vorschlag: „Wie wäre es, möchten Sie nicht reiten? Ich würde gerne Fahrrad fahren.“
Wer hätte das gedacht! Stilechter ging es ja wohl nicht, als auf einem Esel zur berühmtesten Grabräuberfamilie aller Zeiten zu traben! Ich willigte ein und los gings in leichtem Trab mit Zungenschnalzen und „hadla“ durch einen Teil von Qurna, vorbei an den Memnonskolossen bis zum Hotel Marsam, wo wir nach Zimmerzuteilung erstmal bis zum Abendessen schliefen.